Feminismus – Fantasy, Fans, Rollen und Aufregung

In den letzten Jahren wurde viel und heiß über Bücher aus den Genres Fantasy, Romantasy und Liebesromane diskutiert. Die Darstellung der Frauen, des Sexes und der Rollen der Charaktere wurden einige Male zerpflückt. Auch Fans wurden hart angegangen und kritisiert.

So ist Fifty Shades of grey in die Kritik geraten, dass bestimmte Arten des psychischen Terrors und Unterdrückung romantisiert werden. Biss zum Morgengrauen etc. hingegen mussten sich den Vorwurf von Kitsch und Klischee gefallen lassen. Auch die After-Reihe von Anna Todd geriet zwischen die Fronten, da sie eine seltsame Mischung aus Good Girl und – tja, was eigentlich? – abliefert. Auch Bücher wie Selection von Kiera Cass wurden diskutiert, da sie einem bewährten Erzählstrang folgen: armes Mädchen will reichen Jungen bekehren/retten. Nicht selten kann man in diesem Zusammenhang auch Die Tribute von Panem finden oder auch Ein ganzes halbes Jahr, was zwar nicht ins Genre Fantasy und ganz zum Schema passt, aber dennoch einen märchenhaften Touch besitzt wie Aschenputtel oder Schneewittchen.

 

Nachdem auf geekgefluster.de ein interessanter Artikel zu Fangirls und Nerds erschienen ist, in dem erstaunlicherweise ausgerechnet „Biss“ wieder einmal als Beispiel herangezogen wurde, sollte man auch einmal die Seite beleuchten, warum Fangirls immer wieder in die Ecke des kindischen – ggf. sogar hysterischen – geschoben werden, Nerds hingegen als ewige Kinder gelten, was definitiv das gleiche Schubladendenken ist und wie von der Autorin richtig erwähnt, zwei extreme Ausprägungen ein und derselben Sache. Dies soll hier aber nicht das Thema sein. Auch nicht was und wie ein Fan zu sein hat. Hier geht es viel um einen einfach Erklärungsansatz, warum Fangirls sich einigen Vorwürfen gegenüber sehen, die sicherlich unberechtigt sind.

 

After passion von Anna Todd

 

Altes Rezept immer wieder neu aufgesetzt

Armes braves Mädchen trifft reichen geheimnisvollen – womöglich unerreichbaren – Mann. Das ist ein altes Rezept, das bereits bei Märchen wie Aschenputtel und Schneewittchen sowie Rapunzel etc. wunderbar funktioniert hat. Heutzutage werden lediglich andere Märchenerfunden, sprich: dem Zeitgeist angepasst.

Tatsächlich bedienen die heutigen Neuerscheinungen und Serien aus dem Bereich Fantasy immer noch alte und zum Teil vollkommen überholte Rollenbilder und romantisieren teilweise schwierige Themen.

Ein Buch bzw. eine Serie wird dann zum Erfolg, wenn:

  • Ein armes Mädchen trifft auf einen reichen jungen Mann, der unerreichbar scheint (Prinz – Aschenputtel-Schema).
  • Das Mädchen ausgesprochen hübsch ist und/oder etwas Besonderes kann.
  • Der Mann grundsätzlich älter und/oder wie auch immer erfahrener ist, besonders wenn es um Liebe, Lebenserfahrung und Sex geht.
  • Das gute Mädchen will den oft auch bösen Jungen retten und/oder bekehren.
  • Es ist immer eine Liebesgeschichte.
  • Das Mädchen ist immer die leidende, die darauf wartet, dass ihre Liebe erwidert wird ODER sie ist diejenige, die zuerst verlassen wird.
  • Der Mann kennt und weiß immer um den Weltschmerz ODER trägt ein schweres Schicksal.
  • Zu guter Letzt ist sie diejenige, die irgendwie zu retten und gerettet wird.

 

Sehnsucht nach Märchen und nicht nach Vorbildern

In welchem Buch verliebt sich ein reiches Mädchen in einen armen Mann? In keiner dieser Geschichten rettet eine Frau tatsächlich einen Mann. Nie wird aus einer bösen, geheimnisvollen jungen Frau eine treue Lebensgefährtin. Nur in den seltensten Fällen verlässt das Mädchen den Mann, wenn überhaupt! Wann haben jemals Männer in der Fantasy davon geträumt, eine reiche Königin oder Heldin zu heiraten? Es gibt keine Geschichte, in der die Frau die erfahrene Weise ist, die dem jungen Mann das Leben zeigt. Würde sich jemals eine junge hübsche Frau von einem finanziell nur mittelmäßig aufgestellten Mann verprügeln lassen oder gar einen Vertrag unterschreiben, wie und was er mit ihr machen darf? Und schon gar nicht würde ein gutaussehender Mann auf die Idee kommen eine reiche junge querschnittsgelähmte Frau zu pflegen, obwohl er keinen anderen Job findet. Klar verlieben sich arme Jungs in reiche Mädchen, bloß gibt es darüber kaum Geschichten. Auch nicht über Jungs, die sich in starke ältere Frauen vergucken und sie anhimmeln.

 

Wir werden im Alltag mit vielen Vorbildern konfrontiert. Unser Umfeld, Familie, Arbeitskollegen und Lebensumstände prägen unser Denken und handeln. In Büchern suchen wir also nicht zwangsläufig nach Vorbildern, wir suchen nach Märchen, guter Unterhaltung und Happy Ends.

Es sei also die Frage erlaubt, ob Belletristik und damit auch Unterhaltungsliteratur die Mittel sind, um ein anderes Rollenverständnis zu vermitteln?

Sicherlich ist es ein sehr edles Ziel, den Leser zu unterhalten und dennoch eine zeitgemäße oder gar zukunftsweisende Botschaft zu platzieren. Doch was genau ist es dann? Sind wir dann noch im gleichen Genre wie oben erwähnt?

Mädchen, die davon träumen, einen reichen Mann kennenzulernen und dann mit ihm die Welt zu retten. Frauen, die Männer suchen, um etwas Besonderes zu werden oder sein (z.B. Bella will Vampir werden, jemand anders Prinzessin). Was ist so schlimmes dabei? Männer träumen davon, ins All zu fliegen, neue Welten entdecken oder den dreißigsten Todesstern zu zerstören, aber sicher nicht davon, von einer reichen „Oma“ in die Techniken der Liebe eingeführt zu werden. Wir wollen keine vertauschten Rollen, wir wollen Märchen und Unterhaltung!

 

Let’s talk about Fangirls und Nerds

Fangirls, die auf die BISS-Reihe abfahren (und ähnliche Bücher), können und sollten doch in der heutigen Zeit genug Selbstbewusstsein haben, um auch einige Kritik an sich abperlen zu lassen. Wir wissen alle, dass die Vampire Figuren der Phantasie sind.

Und genau hier liegt der Unterschied zu den Nerds: Sie wissen genau, dass es keine Laserschwerter gibt, kaufen dennoch Plastik, das genauso aussieht und spielen selbst als erwachsene Personen damit. Es gibt Cosplayer, die für ihre Kostüme mehr ausgeben, als manch anderes Fangirl für ihr Auto.

Jetzt kommt der zweite Unterschied: Nerds wissen, dass sie von anderen belächelt werden und es ist ihnen egal.

Wenn Frauen in der heutigen Zeit so taff sein wollen, dann heißt das auch, dass man zu kitschiger Literatur, Märchen und der Sehnsucht nach hartem Sex stehen können sollte und nicht beleidigt ist, weil jemand einen hysterisch genannt hat.

Zur Emanzipation gehört auch, für das einzustehen, was man gut findet, was einem gefällt und wichtig ist, EGAL was andere sagen.

Und Klischees über andere Gerne gibt es genug:

  • Krimileser sind Langweiler
  • Thriller-Leser sind alles verkappte Psychopaten, die sich selbst nicht trauen.
  • Sachbuch-Leser sind Klugscheißer, Besserwisser und Angeber.
  • Leute mit Vorliebe für Lyrik und Poesie haben meist ein Drogenproblem und Depressionen.

 

Heidi Klum – Tabubruch oder Effekthascherei?

Dass die Umkehr von Rollen immer noch eher die Ausnahme als die Regel ist, beweisen Heidi Klum und Tom Kaulitz. Nicht selten wird dem erfolgreichen Model und vierfachen Mutter vorgeworfen, sie wolle mit solchen Schlagzeilen, wie denen zu ihrer Liaison mit einem wesentlich jüngeren Mann, nur in die Presse und damit Geld machen sowie Aufmerksamkeit erregen.

Erstaunlicherweise ist diese Affäre der Presse mehr als eine Schlagzeile wert, wohingegen es keine Sau interessiert, welcher Sugar-Daddy gerade eine junge Frau bespaßt.

Wozu also ein Rollentausch in der Belletristik? Wir geilen uns gerade erst an der Realität auf.

 

 

Keep cool – Feminism on!

Sicherlich sind die genannten Bücher nicht gerade Vorzeige-Literatur für junge Mädchen und Frauen, wenn es um Gleichstellung, Gleichberechtigung und Rollenbilder geht. Sie sind in erster Linie gute Unterhaltung, sonst wären sie keine Bestseller.

Es geht darum, auch bei Büchern eine Vielfalt zu lesen, nicht den gleichen Einheitsbrei. Differenzieren zu können, was Fiktion und was Realität ist. Sich von alten ggf. überholten Rollen aufzeigen zu lassen, was man sich nicht wünscht, ist ebenfalls ein Aspekt dieser Bücher.

Wen verwundert es dann also, dass Frauen und Mädchen leicht in die Ecke der emotional hysterischen Pute gestellt werden, wenn sie ausschließlich diese Art von Büchern lesen? Gleiches gilt für Jungs und Mädels, die ausschließlich Sci-Fi lesen und davon träumen mit Captain Jean-Luc Picard in einem Raumschiff neue Welten zu entdecken. Sie werden genauso belächelt. Ob dies immer fair oder politisch korrekt ist, bleibt weiterhin fraglich.

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