Frauen und Zombies bei den Dragon Days 2016
Wie bereits im Jahr zuvor fanden auch 2016 die Dragon Days in Stuttgart statt. Diesmal allerdings gab es eine zeitliche Änderung: Das crossmediale Festival findet nicht mehr im Sommer, sondern im Herbst statt.
Obwohl ich noch so viele Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse im Kopf habe, ließ ich es mir nicht nehmen, zumindest zwei Veranstaltungen zu besuchen, vor allem eine nicht: Dem Zeichner von The Walking Dead – Charlie Adlard – einmal live bei der Arbeit zuzusehen. Doch zuerst ginge es am Eröffnungstag zum Vortrag “Frauen in der Fantasy”.
Frauen in der Fantasy
Im Max-Bense-Forum der Stuttgarter Stadtbibliothek fand im Vorfeld des Festivals ein interessanter Vortrag zum Thema “Frauen in der Fantasy” statt. Auf der Bühne präsentierten Verena Klinke, Diana Menschig und Andrea Bottlinger Passagen aus ihren Büchern und Arbeiten. Dabei standen weibliche Protagonisten oder Figuren stets im Focus, um der Frage wie Gleichberechtigung in der aktuellen Fantasyliteratur aussehe, einige Antworten zu geben.
So berichtete Verena Klinke (Steam Noir) von zwei grundverschiedenen weiblichen Charakteren und wie sie im Laufe der Erzählung einander kennen und respektieren lernen. Diana Menschig stellte ihre Protagonistin Merle Hänssler aus dem Roman “So finster, so kalt” vor. Zum Schluss las Andrea Bottlinger aus ihrem Fantasyroman “Der Fluch des Wüstenfeuers”, in dem Frauen sich entscheiden müssen, ihre ureigene Magie bändigen und versiegeln zu lassen.
Nach den interessanten Vorträgen und Lesungen fand eine Diskussions- und Fragerunde mit dem Publikum statt. Hierbei berichteten Bottlinger und Menschig von doch diskriminierenden Erlebnissen. So wird tatsächlich Frauen der Erfolg im Genre Fantasy eher ab- als zugesprochen. Von einem persönlichen Erlebnis auf einer Buchmesse erzählte Menschig: Als sie sich mit der Mutter eines jungen Fantasy-Lesers unterhielt, fiel die Aussage: “Das liest er nicht, weil es von einer Frau geschrieben ist.” Hintergrund war, dass bei weiblichen Autoren wohl immer Romanzen und Schnulzen als Geschichte erwartet bzw. automatisch vorausgesetzt werden. Noch deutlicher machte es das Beispiel von Bottlinger, die davon berichten konnte, dass ein unter männlichem Pseudonym veröffentlichter Fantasyroman sich besser verkauft, als unter weiblichem Autorennamen.
Prostatabeschwerden männlicher Protagonisten
Das Thema wurde von sehr unterschiedlichen Seiten diskutiert, was auch die Fragen und Beiträge aus dem Publikum zeigten. So ging es um die Schwierigkeit sich als männlicher Autor, mit einem weiblichen Hauptcharakter identifizieren zu können:
Wie geht die denn aufs Klo, wenn sie ihre Tage hat? Das kann man sich als Mann und Autor schwer vorstellen.
An dieser Stelle versuchte ich mich zu erinnern, in welchem Fantasyroman ich über die Prostatabeschwerden eines Protagonisten beim Pinkeln nachdenken musste, um mich besser in die Situation und den Handlungsstrang der Erzählung hineinversetzen zu können?
Sehr häufig kam das Thema auf die sich immer wiederholenden Stereotypen.
Ich habe keine Lust mehr, auf immer gleiche Weise zu lesen, wie ich als Frau auszusehen und mich zu verhalten habe.
Auch kam die These auf, dass Charaktere erst dann vollkommen gleichgestellt sind, wenn man sie völlig unabhängig vom Geschlecht austauschen kann. Soll dies aber das Ziel sein?
Auch konnte Menschig berichten, dass sie einige Male das Feedback erhalten hatte, eine Protagonistin würde nerven, weil sie im Laufe der Geschichte immer wieder zweifelte und ihre Meinung änderte. Die interessante Frage, die daraufhin folgte war, ob man dies auch einem männlichen Charakter unterstellen würde.
Als die Frage ans Publikum ging, welche weiblichen Protagonisten und Helden es gäbe, konnte ich keinen Beitrag dazu leisten. Erst nach und nach sind mir spannende und sehr geniale Figuren aus der Literatur eingefallen: Ronja Räubertochter (Lindgren) und Oma Wetterwachs (Pratchett). Beide Figuren entsprechen weder einem Schönheitsideal noch verhalten sie sich typgerecht. Viel ist dies allerdings nicht. Das kann an dieser Stelle auch meiner Unbelesenheit geschuldet sein.
Für einige Momente habe ich mich sehr über Bottlingers Aussage geärgert, die auf eine Frage der Moderatorin etwas flapsig antwortete, indem sie den Aspekt des Geschlechts außer Acht ließ und damit argumentierte, dass es darum ginge, gute und unterhaltsame Fantasy zu schreiben. Allerdings brachte es mich auch sehr zum Nachdenken, denn momentan wird den weiblichen Figuren und natürlich auch Autorinnen mit solchen Vorträgen besondere Aufmerksamkeit geschenkt, dabei gibt es langweilige und völlig überholte Klischees bei den Männern (Autoren und Figuren) ebenso:
- Krieger sind immer stark, aber meistens auch etwas dumm.
- Magier sind immer sehr alte und weise Männer oder dünne Weicheier.
- Schurken und Jäger sind immer die gewitzten Charmeure.
Man könnte die Liste ewig fortsetzen. So kann man den männlichen Autoren vorwerfen, dass sie nur alte Typen neu in Szene setzen und nicht imstande sind, etwas neues und eigenes zu entwickeln. Somit war die Aussage Bottlingers ziemlich gut.
Fazit: Schön, dass dieses Thema bei dem diesjährigen Festival aufgegriffen worden ist. Bitte mehr von solchen Vorträgen.
Charlie Adlard zeichnet live Zombies und Figuren aus The Walking Dead
Das Metropol und die Halloweennacht waren sehr gut ausgewählt für diesen Event der Dragon Days. In toller Kinoatmosphäre durften die Zuschauer dem Starzeichner von The Walking Dead, Charlie Adlard bei der Entstehung neuer und bekannter Figuren zuschauen. Zudem erzählte der britische Zeichner, der bereits seit 12 Jahren den bekannten und beliebten Comic mitentwickelt, sehr humorvoll und sympathisch von den Anfängen der Serie und seiner Arbeit.
Auf die Frage, ob er dem Dunklen und Dystopischen zugeneigt oder ob dies Thema von besonderem Interesse ist, antwortete er sehr locker und belustigt. Nein, mit ihm sei alles in Ordnung. Es sei ein Job, Allerdings liebe er dem Kontrast zwischen schwarz/weiß bzw. hell/dunkel, was man auch gut in seiner Arbeit sehen kann.
Tatsächlich war der Beruf Zeichner nicht Adlards erste Wahl. Als er mit anderen Dingen aus dem Bereich Film und Kunst nicht wirklich vorankam, probierte er es mit Zeichnen und gab zu Beginn dem Projekt The Walking Dead keine allzu große Chance auf Erfolg und wollte es sogar einmal verlassen. Nur auf Bitten von Robert Kirkman blieb er bei dem Comic und begleitet seitdem den kontinuierlichen Aufstieg.
Die berühmte Fernsehserie hingegen schaue er nur als eine Form von Hausaufgaben, gestand Adlard den Anwesenden. Denn auf vielen Veranstaltungen würde er hierzu befragt. Allerdings habe er die Comicverfilmung nur bis zur fünften Staffel verfolgt. Seine Söhne hingegen sind Fans von Comic und Fernsehserie, so dass er immer gut informiert sei.
UND DANN verriet Charlie Adlard ein bisschen was zu Negan, dem neuen Bösewicht aus der aktuellen Staffel von The Walking Dead:
Er würde diesen Charakter sehr mögen, da dieser eine interessante Geschichte habe, die ggf. einen kleinen Spin-Off bekommt (ich hoffe, ich habe das jetzt im Englischen korrekt verstanden). Zu Negan selbst habe er zu Beginn insgesamt sechs Entwürfe vorgelegt und für einen habe sich Kirkman entschieden. Dieser ist letztendlich auch so in die Fernsehserie eingegangen. Auch die Frage aus dem Publikum, wie man eine Waffe wie Lucille entwerfe, wurde von Charlie mit einem Grinsen beantwortet: Man zeichnet einen Baseballschläger mit Stacheldraht drum rum.
Selbstverständlich berichtete Charlie Adlard auch von seiner täglichen Arbeit. Ein Comic würde gute zwei Arbeitswochen in Anspruch nehmen, wobei er versuche, drei Seiten pro Arbeitstag zu zeichnen. Über die Figuren ließ er verlauten, dass man sich nie sicher sein könne, wer als nächstes stirbt. Manchmal würden Charaktere sterben, bevor deren Story voll abgeschlossen ist. Fans der Fernsehserie werden dies bestätigen können. Ein bisschen Einblick in sein Leben neben The Walking Dead gab er ebenfalls, z.B. dass er noch an privaten Projekten arbeite und immer noch gerne Musik mache.
Ebenfalls an diesem Abend beteiligt, war die Bodypainterin Julie Böhm, die an zwei Modellen ihr Können unter Beweis stellte. Allerdings muss ich ganz offen zugeben, dass sie neben Adlard ein bisschen unterging, obwohl ihre Arbeit und die Techniken, die sie zur Gestaltung ihres Zombies zeigte, sehr beeindruckend und interessant waren.
Fazit: Unterhaltsam moderiert, interaktiv gestaltet – ein wunderbarer gruseliger Abend mit einem ausgesprochen sympathischen Starzeichner, der das Publikum zu begeistern wusste. Genial!
Schreibe einen Kommentar