Rassismus in Kinderbüchern und political Correctness
…Eine Geschichte, egal ob für Kinder oder Erwachsene, lebt von Abenteuern, Konflikten und dem Wachsen der vorkommenden Figuren. Wenn wir dann endlich alle gleich sind, brauchen wir auch keine Geschichten mehr…
Das lustige an Google ist mittlerweile, dass ich bei Recherchen Sachen finde, nach denen ich gar nicht suche. Dann bleibe ich hängen und staune, wundere mich, und manchmal, da rege ich mich tierisch auf. So auch letzter Woche, als ich nach Blogs für Kinderbücher stöberte und zufällig auf einer Seite landete, die sich „DER SCHWARZE BLOG“ nennt. Dort fand ich eine Liste mit Kinder- und Jugendbüchern, die dem Verfasser nach diskriminierende Inhalte haben.
Zuerst wollte ich augenrollend wegklicken, dann nahm ich mir die Zeit und habe mir die Seiten des Vereins „Der braune Mob“, zu dem auch der Blog gehört, genauer angeschaut. Das hatte zur Folge, dass das Staunen mit jedem Satz und Artikel umso größer wurde. Auf den Seiten finden sich Texte zum Thema Rassismus, FAQs und eine Ausarbeitung zur Frage „Bin ich ein Rassist?“. Die von den Autoren aufgegriffenen Punkte und ihre Ausführungen sind gut und ich möchte in vielen Punkten zustimmen, doch zum Nachdenken haben sie mich gebracht, als ich im besagten Blog wieder den Artikel zu den Kinderbüchern angeschaut habe und einen weiteren Artikel zu diskriminierenden Inhalten in „Mary Poppins“ las. Danach musste ich erstmal tief Luft holen.
Ich bin Rassistin
Nachdem ich diese Seiten genauer durchforscht hatte, saß ich vor dem Monitor und bin zu dem Schluss gekommen: Ich bin Rassist per Definition.
Denn einige Punkte treffen tatsächlich auf mich zu, wie „Rassismus ist unter anderem: Schwarze Deutschsprachige Menschen zu fragen, wo sie “wirklich herkommen†und ob der “Papa oder die Mama Schwarz†sei.“ Ja, tatsächlich würde ich diese Frage stellen.
Schon begann ich mich schlecht zu fühlen, aber genau an diesem Punkt machte mein Gehirn einen Salto. Moment! Was aber bewegt mich zu dieser Frage? Ist es ein rassistischer Gedanke?
Nein, es ist in erster Linie pure Neugier und das Interesse an meinem Gegenüber, wenn ich so etwas frage. Und diese Neugier ist etwas vollkommen Natürliches und hat mit Rassismus überhaupt gar nichts zu tun.
Schon stolperte ich weiter über die Punkte: „Rassismus ist unter anderem: der Impuls, die Straßenseite zu wechseln, wenn zwei Schwarze entgegenkommen.“
Ich wechsle die Straßenseite, wenn mir zwei besoffene Weiße in Anzügen entgegenkommen. Für mich ist dies gesunder Selbstschutz und hat mir Rassismus nichts zu tun.
„Stopp!“, sagte mein Verstand. „Du verharmlost hier die Dinge. So einfach ist es nicht. Außerdem bist du ja weiß.“ Sofort wollte ich zustimmen, doch das Herz meinte. „Ne, ne. Ganz so ist es nicht. Du bist zwar weiß, aber das heißt noch gar nichts!“
Und das Herz hat recht! Möchte man diese Definitionen von Rassismus anwenden, dann sind wir alle auf irgendeine Art Rassisten. Wir sind voller Vorurteile gegenüber Männer, Frauen, Andersgläubigen, Ausländern, selbst Inländern (man denke nur an Ost- und Westdeutschland). Sobald es um Privilegien geht, ist es egal welche Hautfarbe du hast. Manchmal reicht es schon aus, nicht den richtigen Familiennamen zu tragen.
BÄM! Was also ist jetzt mit Pippi Langstrumpf im Taka-Tuka-Land und Wilhelm Busch sowie Otfried Preußler
Rassismus aus Büchern streichen
Was ist nun mit der Liste der Kinderbücher, die rassistische Inhalte haben? Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Worte dort standen bzw. in alten Auflagen stehen. Tatsächlich sind die Bücher schon vor einigen Jahren abgeändert worden. Bei Astrid Lindgren heißt der Negerkönig jetzt Südseekönig, wie man bei efraimstochter.de nachlesen kann.
Auch Otfried Preußler ließ die „Negerlein“ aus seinem Buch entfernen und sie wurden nach seinem Tod „Messerwerfer“ in „Die kleine Hexe“.
Die Argumentation der Verlage kann man nachvollziehen, man will die Bücher auf einen neuen Stand bringen. Gleichzeitig gehen aber die Originalgedanken der Autoren verloren. Zudem finde ich es sehr seltsam, dass das Wort Neger als Beschimpfung geahndet wird, was aber ist mit dem Titel „Die kleine Hexe“? „Hexe“ war in Deutschland lange Zeit keine Bezeichnung für eine weise Frau oder Ähnliches, sondern ein Todesurteil, wenn man als solche bezeichnet wurde. Wie kann man also Kindern von einer kleinen Hexe erzählen, von einer Frau, die auf einem Besen reitet? Das also ist nicht diskriminierend? Oder haben Hexen einfach keine Lobby? Das Dilemma ist also viel größer, als gedacht.
Ein ganz anderer Aspekt kommt hinzu: Kann und darf man den Autoren aufgrund der Wortwahl Rassismus und Diskriminierung vorwerfen? Man kann in die Werke der Autoren, das hineininterpretieren, was man will. Nehmen wir den Südseekönig aus Pippi Langstrumpf, der heißt mit Vornamen Efraim, aus dem hebräischen (Ephraim – der doppelt fruchtbare). Den Rest darf sich jetzt jeder selbst weiterspinnen. Oder aber es ist einfach nur ein Name, den die Autorin gewählt hat und der nicht schwedisch, sondern etwas exotisch klingen sollte, damit er zu Pippi passt.
Ein weiterer Punkt sei erwähnt: Was mache ich als Vorleser oder als Ansprechpartner für die Kinder mit solchen Ausdrücken und Worten, wenn die Kinder danach fragen? Und sie haben nur dann eine Chance zu fragen, wenn sie damit konfrontiert werden. Ist doch gerade das Buch, das man selbst liest oder vorgelesen bekommt, ein geschützter Bereich ohne direkte Einwirkung einer anderen Instanz. In all den Berichten geht es immer darum, die Kinder vor etwas zu schützen oder sie nicht mit falschen Dingen in Berührung zu bringen. Als Erwachsene müssen wir uns die Frage gefallen lassen, ob wir mit so einem Vorgehen nicht einfach nur die Welt wie sie ist vor ihnen verstecken. Und dann?
Wie korrekt wollen und können wir werden?
Seit Jahren wird in unserer Gesellschaft versucht, eine Gleichstellung zwischen allen Individuen herzustellen und macht vor nichts Halt. Hierbei geht es nicht um die Bezahlung von Mann und Frau im Berufsleben oder die Chancengleicheit bei der Bewerbung, auch nicht um Personen, die um ihr Recht auf Heirat und Kinder immer noch kämpfen müssen.
Eine Gleichstellung und ein Umdenken finden jedoch nicht aufgrund der Tatsache statt, dass wir den Sprachgebrauch ändern oder aus den Büchern Inhalte löschen oder nachkorrigieren. Das hat uns die Geschichte schon gelehrt. Auch werden Mann und Frau nicht gleichgestellt, wenn ich einen Text geschlechterneutral formuliere. Dazu gibt es unzählige Leitfäden von den Bundesministerien bis hin zu Anwaltskanzleien. Die alle zeigen auf, wie man Texte schreibt, damit man von ja keinem abgemahnt wird und politisch korrekt ist. Das der Text aber niemanden vor der Diskriminierung im Alltag schützt, steht in keinem der Dokumente. Bei jedem Schriftstück kommt es auf die Auslegung an, auch das lehrt uns die Geschichte, bestes Beispiel sind die Weltreligionen. Eine Bibel oder ein Koran haben niemals einen Glaubenskrieg ausgelöst, sondern die Interpretation, auch Uminterpretation und Anwendung der Inhalte.
Darum geht es! Wie setze ich mich mit den Inhalten auseinander? Diese Kinderbücher geben die besten Chancen an Beispielen zu erklären, was früher war und heute nicht mehr ist. Wie sich ein Wandel vollzogen hat und in welche Richtung er gegangen ist. Man kann aufzeigen, was früher für ein Bild herrschte, ob es sich geändert hat oder gleichgeblieben ist.
Wie kann es denn sein, dass aus den „Türken“ bei Preußlers „Die kleine Hexe“ plötzlich „Cowboys“ werden, weil sich Kinder unter Türken heutzutage eher Erkan und Stefan vorstellen? Welche Idiotie steckt denn eigentlich dahinter? Oder sind es vielleicht wir Erwachsenen, die eher den freundlichen Dönerverkäufer vor dem inneren Auge sehen, wenn wir an Türken denken, anstatt einen traditionell gekleideten Derwisch oder Sultan?
Wir fangen an, aus Kinderbüchern ein kleines RTLII zu machen. Wir bilden uns ein, dass wir politisch korrekt sind, nur weil wir Worte nicht mehr benutzen, verändern aber unser Verhalten nicht. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich die Ungerechtigkeit nicht mehr. Ist das die Devise nach der wir am besten vorgehen sollten?
Was in Büchern nicht drin steht, gibt es nicht. Das ist die politisch korrekte Lüge, die aus so einem Verhalten erwächst. Wir meiden den Konflikt, lieber neutralisieren wir ihn. Wir schützen Minderheiten und nehmen der Mehrheit zugleich die Chancen zum Nachdenken, wundern uns aber hinterher, dass sich nichts verändert.
Ein letztes Beispiel möchte ich rauspicken: Preußler hat den Begriff Negerlein geändert, da ihm anscheinend ein Vater geschrieben hatte, das sich seine kleine Tochter beim Lesen diskriminiert gefühlt hat und traurig war. Dass ein Kinderautor sowas nicht will, ist nachvollziehbar.
Warum aber schreiben alle Kinderbuch-Autoren so wenige behinderte Kinder in ihre Geschichten? Warum sind da nur gesunde, unbehelligte Kinder? Mir fallen ganz wenige Geschichten ein, wo es sowas überhaupt gibt. Da ist wohl die Lobby auch nicht stark genug.
Oder aber, und das sollten wir uns eingestehen, wollen wir in Kinder- und Jugendbüchern einfach eine heile Welt vorfinden. Eine gute Welt, wie wir sie gerne hätten. Den heutigen Ansprüchen nach, muss sie zudem politisch korrekt sein. Darüber vergessen wir ganz, dass wir das alle nicht sind und nicht sein können. Spätestens dann nicht, wenn es um uns selbst geht.
Ich würde gerne wissen, ob es einen dunkelhäutigen Autor für Kinderbücher gibt? Ich bin für jeden Hinweis dankbar.
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