Mein fahler Freund

Mein fahler Freund
Isaac Marion

R ist Zombie. Es ist ihm peinlich, dass er sich nur an den ersten Buchstaben seines Namens erinnern kann. Wie die anderen Zombies verbringt R seine Zeit mit Herumstehen und Stöhnen. Was die Wenigsten wissen: Tod sein ist leicht. Bei einem der Raubzüge in die Stadt trifft R auf Julie. Dummerweise hat er gerade das Hirn ihres Freundes gegessen. R weiss nicht warum, aber er verliebt sich unsterblich in Julie – ausgerechnet in ein lebendes menschliches Wesen.

R ist Zombie am Flughafen und ihm ist so ziemlich Alles egal, außer wenn er Hunger hat, dann will er fressen. Am besten frisches lebendiges Hirn.
Auf einem ihrer Beutezüge, treffen R und sein bester Freund M auf einen Trupp junger Lebender. Im Kampf tötet R Perry und findet Julie. Aus einem für ihn unerfindlichen Grund ist er sich sofort bewusst, dass er diese junge Frau beschützen muss. Typisch für einen Zombie, nämlich ohne nachzudenken, nimmt R Julie mit an den Flughafen, tarnt sie als Zombie und versteckt sie vor den anderen in einer 747.
Doch das ist nur der Anfang, denn R fängt an zu träumen und er träumt das Leben seiner letzten Mahlzeit, Perrys Hirn. Als er auch das letzte Stück verspeist hat und Julie ihm von sich und Perry erzählt, verliebt er sich in die Lebende. Doch am Flughafen kann sie nicht bleiben und schließlich haben die Knochen R verheiratet und zwei Kinder zugewiesen. Ist das aber alles noch wichtig, wenn man verliebt ist? Wenn Julie nicht bei den Zombies bleiben kann, könnte R nicht zu den Lebenden? Er dürfte sie nur nicht fressen.
Von Liebe und dem Wunsch nach Heilung bzw. Veränderung getrieben, folgt R Julie in die Stadt der Lebenden, die nichts weiter ist, als ein abgesperrtes Footballstation. Einen Plan hat er nicht, er geht einfach Schritt für Schritt vor und alles ändert sich.

Eigene Meinung
An diesem ersten Roman von Isaac Marion können sich wohl wirklich die Geister scheiden. Was dieser „junge“ Autor hier geschaffen hat, ist auf jeden Fall neu und folgt irgendwie dem trendigen Gedanken „Yes we can.“ und dann doch nicht, denn es ist viel zu banal, um funktionieren zu können. Vielleicht funktioniert es deswegen. Marion dreht die Welt um.
Sein Protagonist ist verheiratet, hat Kinder, geht mit ihnen zum ersten Schultag, erwischt seine Frau mit ihrem Liebhaber beim Sex und verliebt sich in eine vielleicht jüngere Frau, die noch nicht mal in seine Welt gehört. Der feine Unterschied: der Protagonist ist Zombie. Ist das überhaupt noch relevant? Stöhnen und starren wir nicht alle irgendwie durchs Leben, bis sich etwas ändert? Bis uns endlich jemand aus einem Schlaf rüttelt, der uns Jahre übermannt hat? Verdient nicht jeder eine zweite Chance auf ein Leben, in dem man liebt und geliebt wird?
Genau mit solchen und noch schwierigeren Fragen lässt Marion seinen Zombie mit sich selbst und einer zerstörten Welt kämpfen.

„…Mittlerweile frage ich mich, woher ich komme. Die Person, die ich jetzt bin, dieser linkische, stolpernde Bittsteller…wurde ich auf den Grundmauern meines alten Lebens errichtet oder bin ich etwa dem Grab wie eine unbeschrieben Tafel entstiegen? Wie viel ist Erbe und wie viel meine eigene Schöpfung?“

Wer jetzt allerdings denkt, dass R seitenlange tiefenphilosophische Monologe führt, bis einem beim Lesen das Gesicht einschläft, der irrt. Der Autor kriegt auf erstaunliche Weise immer die Kurve. Er geht gar nicht in die Tiefe. Das hat die Erzählung auch nicht nötig, denn die Fragen reichen vollkommen aus, um die Absurdität unserer eigenen Ängste vor dem anderen, dem fremden, darzustellen und genau darauf will Marion wohl in seinem ersten Roman hinaus. Wir sind alle gleich. Irgendwie. In unseren Grundbedürfnissen, Zielen, Anschauungen und Vorstellungen.

Sehr schön verdeutlicht wird es in zwei Schulszenen, in denen der Autor sich die Zombie- und Menschenlehrer vollkommen identisch verhalten läßt.
Sowohl die Menschen, als auch die Zombies leben in abgeschotteten Lebensräumen. Die einen bewusst in Stadien, die sie verteidigen, die anderen an einem verlassenen Flughafen. Gerade in dieser Welt der Gegensätze vereinen sie plötzlich zwei Dinge: ein gemeinsamer Feind und der Ausblick auf eine Liebe und damit Hoffnung für die Zukunft.

Die hier erzählte Geschichte ist alt und die Moral bzw. das Motiv bereits mehr als einmal durch die Menschheitsgeschichte selbst aufgegriffen, behandelt und durchlebt. Marion hat die Welt nicht neu erfunden, aber mit der Ironie eines toten Zombies, der wieder lebendig werden will, schafft er doch eine neue Perspektive auf die Dinge und die Welt, wie sie bereits heute ist, wobei er weder anklagt noch bestraft.

Warum sich an diesem Buch einige Geister scheiden
Auf dieses Buch muss man sich einlassen und die ersten Seiten deuten auf eine ganz andere Geschichte hin. Die Leseprobe hatte mich damals nicht überzeugt. Ich war der Meinung, dass dieses Buch eher etwas für eingefleischte Zombie-Fans und ein Kontra zu den vielen Vampir-Liebesromanen ist. Erst auf Empfehlung von Soleil, die mir das Buch geschickt hat (nochmals vielen Dank!), habe ich mich doch überzeugen lassen. Dieses Buch lohnt sich. Man sollte ohne Vorurteile rangehen.

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