Kennengelernt über Twitter, seit Jahren einander gelesen und im Schreiben bestärkt, wird es endlich Zeit, Euch einen weiteren Autorenkollegen vorzustellen, dessen Geschichten Spaß machen und unterhalten. Egal ob als Selfpublisher oder Verlagsautor, Alexander Kaiser erzählt Fantasy, Steampunk und Sci-Fi. Hier könnt Ihr ein bisschen mehr über ihn erfahren. Los geht’s!
Du schreibst Fanfiction. Sind das Deine „schreiberischen“ Wurzeln, oder hast Du bereits vorher andere Dinge verfasst?
Tatsächlich liegen meine Anfänge im Fanfic-Schreiben. Die ersten Stories, die ich als Prosa verfasst habe, erschienen im Science Fiction Club Black Hole Galaxie. Aber davor habe ich Kurzgeschichten für die Leserkontaktseite der Nachauflagen bei Perry Rhodan geschrieben. Das waren durchweg Fanfics, und ich bin froh, dass der damalige LKS-Onkel Arndt Ellmer die immer unbesehen durchgewunken hat, bis auf ein Mal. Aber das ist eine andere Geschichte.
Wer Deinen Blog verfolgt, weiß: Du bist Perry Rhandon-Fan. Was macht diese Serie für Dich aus?
Ich lese Science Fiction schon eine kleine Ewigkeit. Seit ich alt genug bin, einen Bibliothekspass zu haben, stöberte ich sehr gerne nach Science Fiction, meist unabhängigen One Stand-Büchern, bestenfalls kleinen Serien. Dann entdeckte ich bei Woolworth auf dem Grabbeltisch reduzierte Ren Dhark-Hefte. Das war mein Einstieg in die Folgeromanszene, da war ich elf oder zwölf. Du wirst meine Überraschung verstehen, als ich dann auf einem Flohmarkt ganz ähnliche Hefte mit Namen Perry Rhodan fand, und es gab davon so viel mehr. Als ich gegen ’88 mit Sammeln anfing, war die Erstauflage etwa bei Band 1300. So viel galt es zu entdecken, und ich sage mit Stolz, dass ich von den jetzt aktuellen 3150 Heften der Hauptserie nahezu jedes besitze und bis auf eine Lücke von 1150 bis 1490 alle gelesen habe. Auch eine Geschichte für sich. Aber der langen Rede kurzer Sinn ist halt, dass mich Perry Rhodan fast vierzig Jahre begleitet, ein Ende ist nicht abzusehen, und das möchte ich auch nicht. Die Serie ist ein fester und wichtiger Bestandteil meines Lebens, auch wenn ich schon mal 60 Hefte hintenan war, wegen einem Berufswechsel.
Dein aktuelles Buch ist ein Steampunk-Roman mit dem Titel „St. Petersburger Eröffnung“, den ersten Band aus der Reihe „Der Schachtürke“. Perry Rhodan und Steampunk – passt das gut zusammen?
Natürlich passt das nicht zusammen, möchte man spontan sagen. Aber dann will ich als Autor differenzieren. Die ersten fünfzig Hefte, in denen Perry Rhodan die Menschheit eint mit Hilfe der arkonidischen Technologie, welche er im Wrack der AETRON von Crest und Thora erhält, ist viel Improvisation, findet man geniale Tüftler, und alles ist irgendwie dabei, jede Sekunde bis zur letzten Schraube zerstört zu werden. Steampunk ist da ganz ähnlich mit seinen Bestreben, irgendwie alles zu technisieren mit Prothesen, jeder Menge Luftschiffen und gepanzerter Kleidung als Standardanzug für Gentlemen. Ich denke, der frühe Perry ist sehr steampunkig, ohne ins Atompunk abzurutschen, weil halt auch sehr viel auf der Erde spielt, und Steampunk hat was von Perry Rhodan, den Optimismus, den Erfindungsreichtum und den massiven Kulturumbruch, um den sich alles dreht. Aber wenn man möchte, kann man natürlich auch mehr Unterschiede aufzählen als Gemeinsamkeiten.
Mit dem erwähnten Buch hast Du bei einem Verlag publiziert. Wie sind Deine Erfahrungen?
Oh, da muss ich weiter ausholen. Die St.Petersburger Eröffnung, wie der erste von hoffentlich drei Bänden in der Schachtürke-Reihe heißt, ist ja nicht meine erste professionelle Veröffentlichung. Vorher habe ich im Jahr 2000 bei VPM (Verlagsunion Pabel-Moewig) eine sogenannte Fanedition veröffentlicht. Einen Roman nach eigenem Exposé im Perry Rhodan-Universum mit 500er Auflage, der aber professionell lektoriert wurde. Das war „Der Normon-Konflikt“, ein Titel, der seit 2004 ausverkauft ist. Mein Glück ist, dass die Lektorin Sabine Kropp (damals Bretzinger) bei mir nur ein Korrektorat gemacht hat. Nachdem sie mein Exposé abgenickt hat, ist sie nur noch ran, die Rechtschreibfehler auszumerzen. Damals fragte sie mich, ob ich das selbst machen wolle, und ich sagte ja. Bekam meinen Ausdruck zurück – ja, damals druckte man so was noch – und die 3,5 Zoll-Diskette, auf der die digitale Kopie ruhte. Ich weiß, klingt ein wenig nach Steinzeit heute.
Ich nahm mir also den Ausdruck und bekam den Schreck meines Lebens – alles rot. Jede einzelne Seite. Zugegeben, bis dahin dachte ich, ich verwende perfektes Deutsch in der Schrift. Dann aber wurde ich trotzig und beschäftigte mich intensiv mit meinen Fehlern. Und siehe da, so viele waren es gar nicht, sie wiederholten sich nur ständig. Ich habe nie wieder so viel gelernt wie in der Korrekturkladde, die Sabine durchgegangen ist. Dachte ich.
Dann bekam ich 2018 über einen Fan Kontakt mit Peter von Emmerich Books. Er fragte mich, ob ich Steampunk könne, und ich sagte ja, schrieb ein Exposé und legte es vor. Damals bekam ich das Okay zu Buch eins. Also legte ich los, schrieb den Roman nach bestem Wissen und Gewissen, und als ich die diesmal digitale Kopie wieder bekam, war ich erneut so entsetzt wie damals bei Sabine. Nicht, dass alle Blätter rot waren, aber die Anmerkungen und Hinweise, die Peter mir auf so gut wie jede Seite gesetzt hatte, kannte ich noch überhaupt nicht. Mir war gar nicht bewusst, wie oft man simple Wörter wie „besetzen“ in einem Absatz fünfmal oder mehr verwenden kann, ohne zu merken, dass es sich unleserlich häuft. Auch hier, Zähne zusammenbeißen, Korrektur abschicken, auf Antwort warten, neue Korrektur machen, das ganze Prozedere durchlaufen, das ich jetzt nicht in aller Kürze wiedergeben will. Am Ende aber sagte ich mir wieder, dass ich auch diesmal eine ganze Menge nützlicher Dinge gelernt habe. Mein Glück wahr wohl auch, dass Peter nur zu zwei, drei Szenen mehr Text wollte, um die Dinge zu erklären und über die Notwendigkeit der Traumsequenz mit mir diskutiert hat, ansonsten war es eher „nur“ ein Korrektorat. Alles in allem ist es eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, und die mir viel gegeben hat.
Wenn ich so dreist sein darf, einen Rat an Mitautoren und zukünftige Autoren zu geben: Man lernt nie wieder so viel über die Technik, die Grammatik und über das Erzählen per se als in einer professionellen Veröffentlichung. Wer immer die Chance dazu bekommt, nutzt sie. Was aber noch wichtiger ist: Der Lektor ist nicht euer Feind. Hört auf ihn, nehmt an, was er rät. Gesteht euch ein, dass ihr hier und da nachbessern müsst. Ich habe einige Leute in meinem Leben gekannt, die von mir Hilfe beim Schreiben haben wollten und auch bekamen. Ein paar aber waren regelrecht erbost über mich, als ich tatsächlich Plotlücken, sich wiederholende Schreibfehler, Schachtelsätze und ungenügenden Satzbau bemängelt habe. Werdet nicht solche Autoren, die können nur in ihrer eigenen Nische veröffentlichen und treten nie in die große Welt ein.
Du hast schon einige Bücher als Selfpublisher herausgebracht. Welches würdest Du dem gewillten Leser ans Herz legen wollen?
Mein eigener Liebling ist die „Für den Kaiser“-Reihe in vier Bänden. Military SF mit einem gehörigen Klatsch Opera, in der ich auch meinen Hang zu zehn Meter hohen, von einem Piloten gesteuerten Kampfroboter gefrönt habe.
Aber ich stehe natürlich auch sehr hinter der Perry Rhodan-Fanedition, und ich betrachte mein erstes im Selfpublishing veröffentlichtes Buch „Die Allianz – Im Korridor der Sterne“ immer nur mit Stolz, weil ich da nur zwei Sätze rausnehmen würde, wollte ich es heute schreiben.
Dann habe ich noch einen Krimi geschrieben, der quasi bei mir Zuhause spielt, das war das Ergebnis einer Verlosung auf meinem Blog. Über die anderen beiden breiten wir mal den Mantel des Schweigens, bis ich die Energie finde, sie fertig zu schreiben. Romane als fortlaufend zu ergänzende Fragmente einzustellen hat sich nicht als arbeitsfördernd erwiesen.
Was beeinflusst Dich beim Schreiben?
Ich lese viel. Ich halte auch gerne mal die Ohren und die Augen offen. Ich habe in mancherlei Beziehung ein Gedächtnis wie ein Elefant. Erstaunlich, was ich mir alles merke. Und erstaunlich, wann ich es mal gebrauchen kann. Bei der St. Petersburger Eröffnung kam mir das sehr zugute, denn ich musste zwar viele Dinge für meine Steampunk-Welt recherchieren, aber viele der Anspielungen, die ich eingebaut habe, zum Beispiel auf den Krim-Krieg, aber auch den US-amerikanischen Sezessionskrieg, musste ich nur noch dem Roman anpassen, die waren bereits alle drin im Kopf und kamen jetzt zur passenden Gelegenheit wieder an die Oberfläche. Natürlich inspiriert mich viel vom Gelesenen. Treibend neben Perry Rhodan nenne ich sehr gerne Terry Pratchett mit seinem göttlich subtilen Humor, aber auch David Weber mit seiner Technologieversessenheit und seiner akribischen Detailliertheit. Das sind allerdings nur zwei von vielen Namen, auf die ich mich beziehen könnte.
Über welches Thema würdest Du gerne schreiben, traust Dich aber nicht so recht heran?
Ha, das ist eine gute Frage. Ich war mal eine Zeitlang Lieferfahrer für KFZ-Zubehör und drehte dafür auch so meine Runden durch das Weserbergland. Während einer dieser Fahrten dachte ich über das römische Marschlager in Wilkenburg bei Hannover nach, von dem ich Tage zuvor gehört hatte. Es heißt ja, eine Legion marschiert am Tag 40 Kilometer und baut sich jedes Mal ein befestigtes Lager. Ich dachte drüber nach, wie wohl eine Flut von fünftausend Soldaten mit Tross ausschauen würde, und wie es wohl sei, wenn diese Legion durch das Wesertal marschiert wäre. Seit diesem Tag will ich einen Roman schreiben, der sich um jemanden dreht, mit genau dieser Idee, nur dass er im Gegensatz zu mir sie verwirklicht, Leute zusammenführt, die in römischen Rüstungen marschieren, Kontakt zu Historikern aufnimmt, um sich beraten zu lassen, und dann tatsächlich an einem Sommerwochenende um die fünftausend Legion-Begeisterte zusammen zu kriegen, um an der Weser vierzig Kilometer zu marschieren, begleitet von einer Menge Forscher, die bei dieser Gelegenheit so authentisch wie nie erleben können, wie eine Legion marschiert. Wenngleich ohne Horde Esel und ohne sie begleitende Familien. Daran knabbere ich schon seit 2017, aber ich habe noch nicht ein Wort geschrieben, obwohl der grobe Plot steht. Auch hier bringe ich einiges an Vorwissen mit, das ich wie beim Marschlager aufgeschnappt habe, und das jetzt ziemlich nützlich werden dürfte. Nur müsste ich halt mal anfangen.
Du kannst spontan eine Lesung auf der Straße halten. Traust Du Dich? Falls ja, aus welchem Buch liest Du vor?
Mein eigenes oder ein Buch, das ich mag?
Aus meinen eigenen Büchern würde ich wohl aus der St. Petersburger Eröffnung lesen.
Müsste ich ein Buch eines anderen Autors nehmen, wäre es wohl der Gedichtband von Heinrich Heyne, der schon seit fünf Jahren hier liegt, aber bei dem ich nie übers erste Drittel gekommen bin, weil ich mir einfach nicht die Zeit nehmen. Das wären dann zwei Fliegen mit einer Klappe.
Merkst Du, wie ich auf das „falls“ gar nicht eingegangen bin?
Das bisher beste Ereignis als Autor – was war das bis heute bei Dir?
Das beste Ereignis war und ist immer, wenn jemand wahrhaftiges Interesse an der eigenen Arbeit zeigt, detaillierte Fragen stellt, über Figuren und Motive diskutiert, kurz, wenn man Begeisterung zurückbekommt. Das ist für mich immer ein toller Moment, und ich würde gerne tatsächlich eine Lesung halten und anschließend mit meinen Fans diskutieren. Vielleicht irgendwann nach Corona. Und falls jemand kommt. Das bisher beste einmalige Ergebnis war wohl, als ich die Reminiszenzausgaben der St. Petersburger Eröffnung ausgepackt habe. Ich dachte mir: Eines Tages finde ich in einem Supermarkt wegen Mängel reduzierte Exemplare dieses Buchs auf den Billigtischen, dann habe ich es endgültig in die Profiliga geschafft.
„Wenn ich meinen ersten Bestseller geschrieben habe, werde ich …
…sehr dankbar sein. Und mich von jener Zeit in meinem Leben verabschieden müssen, als ich auf jede Reaktion der Leser zu meinen Texten zeitnah reagieren konnte.”
Ich bedanke mich für diese ausführlichen Antworten und wünsche Alexander Kaiser weiterhin viele tolle Ideen und phantastisches Gelingen bei allen weiteren Projekten.
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