Mich triggert jetzt das Wort Trigger

Es gibt Worte, die aufgrund eines Trends urplötzlich entweder eine neue Bedeutung oder einen negativen Touch bekommen. Jetzt ist es das Wort Trigger.

 

Quelle: pixabay.com

 

Buchblogger fügen ihren Rezensionen seit einiger Zeit eine Triggerwarnung bei, die zuweilen mit viel Mühe, aber völlig von Logik befreit daherkommt:

  • Grauer Texthervorhebung auf grauer Schrift. Durch Markierung werden die Trigger-Begriffe lesbar. UND ZACK! Bei Markierung getriggert, bei Nichtmarkierung wird der sensible Leser nie erfahren, ob das Buch gefährlich ist.
  • Durch Markieren oder Kopie nach Word erst lesbar (Schriftgröße). Effekt der gleiche wie beim ersten Beispiel. UND HEPP! Getriggert!

 

Anfang des Monats hat Isabell Schmitt-Egner [Lektoratsaccount auf Facebook] einen schönen Artikel zu diesem Thema geschrieben, der die Sache aus Sicht der Autoren und ggf. Lektoren ehrlich beleuchtet. Ein Satz hat mich dabei sehr zum Nachdenken gebracht:

“Aus Angst vor der “Ich finde jeden Trigger”-Inquisition, aus Angst vor Bloggern, die da was reininterpretieren, was da gar nicht steht, und dann behaupten, das könnte man aber rauslesen, deshalb ist der Shitstorm gerechtfertigt ….“

Mit mehr als 180 Kommentaren hat sie einen Punkt getroffen, der viele Autoren und Leser beschäftigt. Darf man heute noch unbefangen schreiben?

 

Sind einige Buchblogger die neuen Sittenwächter und Jugendschützer?

Ich habe mich auf die Suche nach diesen Buchbloggern gemacht, die Triggerwarnungen aussprechen. Dabei habe ich mich zuerst gefragt, welche Art von Büchern die lesen, dass es notwendig wird, überhaupt solche Warnungen auszusprechen. Beschäftigen die sich mit makabrer Literatur, harten Horrorbüchern, Psychothrillern, Kriegsromanen, Biographien von Menschen mit harten und scheußlichen Lebensgeschichten?

Was ich fand, ist größtenteils überflüssig, um es nicht lächerlich nennen müssen.

Triggerwarnungen werden auf Bücher ausgesprochen, bei denen man aus dem Klappentext bereits erkennt, dass es sich mitunter um Themen handelt, die nicht angenehm sind. Was also soll das? Dabei können diese wirklich sehr eindeutig sein und wer viel liest, weiß worauf er sich bei solchen Titeln einlässt.

Zu dem sehr schrecklichen Buch „Liebes Tagebuch, HILFE ich bin schwanger“ findet man die Triggerwarnung „ungewollte Schwangerschaft“. Echt jetzt?

Vielleicht berechtigte Beispiele finden sich man bei Morgenwald – ja gut, da kann man drüber diskutieren. Und auch zu dem Buch Juli im Winter.

An der Stelle möchte ich gar nicht weitermachen. Die Beispiele sollen lediglich verdeutlichen, wie die Bedeutung eines Wortes – und in diesen Beispielen sind wir wirklich weit von dem entfernt, was wirklich ein Trigger ist – nicht fehl- aber uminterpretiert wird. Zudem wird der Begriff so inflationär benutzt, dass er abstumpft. Damit erreicht man eigentlich das Gegenteil, von dem, was ggf. nützlich sein könnte. Warum, möchte ich an dieser Stelle kurz erklären.

Beispiel 1: Hier würden betroffene Personen beim Durchlesen des Klappentextes bereits die Finger vom Buch lassen. Die kurze, aber deutliche Beschreibung sagt alles. Die Warnung ist unnötig.

Beispiel 2: Bereits das Cover KANN Personen mit diesen Erfahrungen, die sie in dem Bezug auch traumatisiert haben, triggern. Die Warnung ist unnötig.

Beispiel 3: Kann, muss aber nicht notwendig sein. Das sind Beispiele, die ansatzweise Sinn machen.

 

Wohin führt das?

Tatsache ist, dass hier um das Wort und die Bedeutung des Triggerns eine Mode entstanden ist, die sich auf Dauer eher als schädlich denn nützlich erweisen wird.

Leser, die vielleicht auf ein Thema sensibel reagieren, werden von Büchern abgehalten, die ihnen unter Umständen dennoch gefallen könnten. Sicherlich, eine Warnung ist kein Verbot. Tatsächlich ist sie als Abschreckung vor etwas gedacht. Autoren werden Lesern vorab erklären, welche Themen sie vielleicht nur am Rande in ihren Geschichten behandeln, um allen Vorgaben gerecht zu werden ODER – und das wäre viel schlimmer – sie werden bestimmte Geschehnisse gar nicht mehr in ihre Handlungen aufnehmen, um Warnungen zu umgehen, d.h. heikle Themen, die der Erzählung bedürfen, werden verschwinden.

 

Bestseller sind meistens Trigger, deswegen sind sie Bestseller

Bücher, die uns berühren, sind Trigger. Der Begriff an sich ist bereits durch seine Herkunft und Verwendung in der Medizin leicht negativ und schmerzlich belegt.

Das Witzige ist aber, dass wir uns andauernd positiv triggern lassen und es auch noch ausgesprochen genial finden, denn schließlich ist Werbung nichts anderes als ein Trigger. Woran denkt Ihr bei dem Duft von frischem Kaffee oder dem Geruch von nasser Erde nach einem Sommergewitter. An was, wenn Ihr an Eure drei Lieblingssongs hört oder bestimmte Städtenamen. Welche Erinnerungen verbindet Ihr mit Schwarzwälderkirschtorte und an was denkt Ihr bei dem Wort Haribo?

An all die Buchblogger, die fleißig Triggerwarnungen schreiben: Welche habt Ihr für Harry Potter in petto? Welche für 50 Shades of grey, Die Tribute von Panem oder Star Wars?

Erfolg haben Bücher und Filme dann, wenn sie uns bei den Gefühlen packen, da wo es weh tut oder die Sehnsucht groß. Wenn sie uns Dinge zeigen, die wir sehen und eben auch nicht sehen wollen. Zum Leben gehört eben auch Verantwortung für sich selbst. Wir sind keinem Zwang zum Lesen oder schauen bestimmter Unterhaltung genötigt. Ein Buch kann man weglegen, einen Film ausmachen.

 

Effekthascherei auf allen Seiten

Der Grundgedanke einer Warnung für ein Buch ist löblich und kann sensiblen Personen oder gar traumatisierten helfen, eine bessere Auswahl ihrer Lektüre zu treffen.

Dennoch finde ich die momentane Entwicklung bei Rezensionen und Diskussionen auf allen Seiten vollkommen überspitzt.

  • Wenn Autoren meinen, bestimmte Dinge nicht mehr schreiben zu können oder gar dürfen, sollten sie darüber nachdenken, für wen und warum sie überhaupt schreiben.
  • Wenn Lektoren der Meinung sind, Autoren darauf aufmerksam zu machen, welche Themen im Buch gefährlich sein mögen, sollten sie sich den ersten Vorwurf einer indirekten Zensur gefallen lassen.
  • Blogger, die den Anspruch erheben sowohl die Leser vor einer Geschichte schützen als auch einen Autor für etwas verantwortlich zu machen, wofür er überhaupt nichts kann, sollten ihre Rolle überdenken.

 

Tatsächlich gibt es aber auch gute Ansätze zum Thema Trigger: ein gutes Interview bei Kia Kahawa und eine sehr gute Zusammenfassung des Themas Trigger bei Frau Schreibseele. Lesenswert!

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