Jellybooks – jetzt wissen wirs

Was für den Leser gut ist, kann für den Verlag nicht schlecht sein…

 

Es ist amüsant, wenn ich den eigenen Artikel lese, den ich vor drei Jahren über Jellybooks geschrieben habe. Damals habe ich mich gefragt, was das alles eigentlich soll, mit dem Leserverhalten und wer den Nutzen daraus zieht.

Jellybooks – wir wissen wie du liest

Jetzt liefert buchreport.de Antworten auf meine damals aufgekommenen Fragen. Einen Nutzen für den Leser hat das Tracking wirklich nicht, keinen direkten. Eher den indirekten, nämlich dass Verlage nun besser wissen, was man lesen möchte. Daraus ziehen sie entsprechende Schlüsse, passen ihre Programme und Werbung entsprechend an, generieren mehr Umsatz, senken Kosten etc. Aber ist dem wirklich so?

 

Jellybooks weiß, was Leser wollen

So titelt buchreport.de – hieß es noch vor drei Jahren, dass Jellybooks das Leseverhalten der User aufzeichnen will, geht es heute darum, dem Verlag und sogar dem Autor anhand der Daten ein Feedback zu geben. Natürlich kostenpflichtig. Denn jetzt soll das Reader Analytics-Werkzeug – warum hat man es nicht gleich Tool genannt, wenn schon die zwei anderen Worte aus dem Englischen stammen – dem Mittelstand zugänglich gemacht werden.

Somit gehören Kleinverlage und Autoren zum Mittelstand oder anders ausgedrückt: Holtzbrinck hat wahrscheinlich keine richtige Verwendung dafür und jetzt sucht man eben nach neuen Zielgruppen. Nach oben ist nicht mehr viel, also wird untenrum geschaut.

Des Weiteren heißt es in dem Artikel, dass die Meinungen der Leser und Buchhändler etc. immer subjektiv sind, das Reader Analytics hingegen liefert Zahlenmaterial von einer guten Anzahl Testleser, die dann vom Kunden ausgewertet können. Zahlen seien schließlich neutral bzw. objektiv.

Kooperation mit Lovelybooks – hier sind nämlich die Leser

Man kann das beste Buch, die beste Analyse-Software haben und scheitert viel einfacheren Dingen, nämlich den fehlenden Usern. Kein Wunder also, dass eine Kooperation mit Lovelybooks angestrebt wird. Tatsächlich hat sich diese Plattform zu der bekanntesten gemausert und ist daher für Verlage, Agenten und Autoren hochinteressant, bei Viellesern und Bücherfreunden mittlerweile bekannt und durchaus beliebt. Diese Zusammenarbeit erscheint schlüssig.

Sie ist auch sehr notwendig, weil Jellybooks keinen Zugriff auf Kindle-Gerätee hat und damit fallen sehr viele Testleser einfach weg. Logisch auch, dass Software nur bei digitalen Medien funktioniert und die meisten Leser bevorzugen immer noch Print. Dies mag hier nicht ausschlaggebend sein, das Fehlen von mobi-Dateien ein das größere Manko.

Damit gibt es per se schonmal keine objektiven Testleser mehr, denn es sind ausschließlich Leser, die sich gegen ein Kindle entschieden haben, aus welchen Gründen auch immer. Das ist eine Selektion, die vorneweg genommen wird.

 

Jetzt kommt endlich der Nutzen für Verlage und Autoren

Oder auch nicht. Denn selbst Markus Wölflick (Geschäftsführer von Lovelybooks) kann hierauf keine konkrete Antwort geben. Einen Konkurrenten in diesem Software-Segment gibt es nicht. Auf die Frage nach einer optimalen Vorgehensweise antwortet er mit einem ehrlichen „Ausprobieren!“ – das ist wenigstens sympathisch. Denn eigentlich leistet Lovelybooks bereits alles, was Jellybooks liefern will. Das einzige, was neu hinzukommen wird, sind ggf. aufbereitetes Zahlenmaterial und Diagramme, die man nach xls importieren/exportieren kann. Denn nichts anderes wird dieses Tool liefern.

Will man den Aussagen glauben, dann stelle ich mir dies am Beispiel Cover folgendermaßen vor:

Cover 1 führte zu einer Lesequote von 30% – Cover 2 zu einer von 45%. Nehmen Sie Cover 2. Was aber an Cover 2 ausschlagebend ist, kann man nur herausfinden, wenn man sich die einzelnen Meinungen der Leser durchliest ODER aber der Artikel verrät nicht alles, was die Software mitliefert.

 

Und dann hat mich eine Sache sehr stutzig gemacht, denn im Artikel steht:

“Die Leserdaten helfen die angepeilte Zielgruppe zu bestätigen oder neu zu definieren und damit Verkaufsstrategien treffsicher zu definieren.“

Echt? Wie denn das? Wie will eine Software, die anscheinend nur trackt, wie viele Seiten ich lese, wie schnell ich lese, ob ich zu Ende lese, wissen, ob ich die Zielgruppe bin und wer eine andere ist? Da müssen doch noch mehr Daten sein, z.B. was ich eigentlich gerne lese, wie alt ich bin, Geschlecht etc. Spätestens bei der Frage nach den Gründen, warum die Leser abbrechen, wird nach einer subjektiven Meinung gefragt, aus der sich eine objektive Zahl generieren lässt. Irgendwie.

 

Verlagsnutzen ist deutlich

Einsparungen in den PR-Kampagnen, aber vor allem beim Personal, weil Jellybooks die Daten aufbereitet liefert, die normalerweise von Mitarbeitern erstellt werden. Dabei ist die Software schneller und wahrscheinlich nicht so fehlerhaft. Werbeaktionen lassen sich so besser planen, Titel eher als erfolgsversprechend prognostizieren und noch vor Erscheinungstermin im Layout und Inhalt optimieren. Das sind Gründe genug für Verlage in der heutigen Zeit zu solchen Software-Lösungen zu greifen.

 

Was bedeutet das für Leser und Autoren

Gehen wir davon aus, dass Jellybooks hervorragende Statistiken zu den Büchern liefert. Was sollen Autoren mit den Zahlen machen? Wie werden diese interpretiert und welche Auswirkungen hat das auf Neuerscheinungen?

So bleibt doch Autoren nichts anders übrig, als Stellen, an denen viele Leser das Buch abgebrochen haben, umzuschreiben. Aber was dann? Ist der Rest des Buches gut oder so schlecht wie die Stelle des Abbruchs? Und wer garantiert, dass die umgeschriebene Stelle besser ist?

Und was bedeuten diese Daten für die Verlagsprogramme? Werden diese immer weiter auf ganz bestimmte Arten von Büchern reduziert? Werden Bücher dann nach ganz bestimmten Mustern geschrieben sein, die ein gewisses Wohlgefallen beim Leser auslösen?

Tatsächlich gibt es solche Auswertungen bei Musik und Film. Das hat aber zur Folge, dass die meisten Lieder wirklich nur noch am Computer zusammengeklickt werden, auch Dialoge von Serien und Filmen kann man mittlerweile mitsprechen. So war zumindest die Entwicklung der letzten Jahre. Für die Buchbranche heißt das nichts anderes. Irgendwann werden Romane zusammengeklickt und maximal die Protagonisten und Orte neu benamt. Damit ist dann sichergestellt, dass es nicht nur den Sommerhit in der Musik, sondern auch in der Buchbranche gibt.

 

Lustigerweise muss ich dabei an Qualityland denken. Denn genau dieses Szenario beschreibt Marc-Uwe Kling in seinem jüngsten Roman und ich hätte nie gedacht, dass er schon so nahe an der Gegenwart sein könnte.

Qualityland

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