Silber – das dritte Buch der Träume
Kerstin Gier
Der Korridor mit seinen verschiedenfarbigen Türen und dem sanften Licht hätte heiter und friedlich wirken können, aber das tat er nicht. Die Stille hatte etwas Lauerndes, und es war nicht auszumachen, von wo das Licht überhaupt kam. Trotzdem liebte ich diesen Ort und die Vorstellung, dass hinter jeder der Türen eine andere Seele träumte, und alle Menschen auf der Welt durch dieses Labyrinth miteinander verbunden waren. Es war ein magischer Ort, geheimnisvoll und gefährlich.
Liv, Henry und Grayson treiben sich immer noch in den Traumkorridoren herum. Als sie erfahren, dass Anabel ihren Psychiater in einem Traum eingeschlossen und sich selbst entlassen hat, sind sie nicht mehr sicher, wer gefährlicher ist: ihre alte Mitschülerin oder ihr Exfreund Arthur, der ebenfalls wieder an der Schule ist und versucht sich mit seinen alten besten Freunden auszusöhnen. Dabei ist ihm Liv ein Dorn im Auge und die bekommt es richtig mit der Angst zu tun, nachdem Arthur seine Macht über die Träume der Menschen an einer Lehrerin demonstriert, die zudem nicht sein letztes Opfer bleiben wird. Während Liv und Henry in den Korridoren nach Möglichkeiten suchen, Arthur das Handwerk zu legen, versucht es Grayson auf dem alten Weg: Recherche! Denn noch sind alle drei davon überzeugt, dass es den Dämon nicht gibt, außer Anabel. Sie hat ihre Medikamente abgesetzt und scheint sich mit Arthur verbünden zu wollen. Dies wäre für die drei anderen eine Katastrophe, denn sie sind sich nicht mehr sicher, ob sie gegen die Kräfte der beiden ankommen.
Und als ob das nicht genug wäre, wollen Livs und Graysons Eltern heiraten und auch Henry möchte von Liv mehr, als nur Knutschen und Händchen halten. Zwischen all den Gefühlen und Problemen versucht Liv nicht die Nerven zu verlieren und hinter das Geheimnis von Arthurs Macht zu kommen.
Dies ist das letzte Buch der zweiten Trilogie von Kerstin Gier. In diesem lüftet sich nicht nur das Geheimnis um den Tittletattleblog, sondern lässt auch die Charaktere reifen. Das gilt auch für Florance, Mia und Lottie. Allerdings werden nicht alle Geheimnisse aufgedeckt, was dazu führt, dass am Ende des Buches sogar einige Cliffhanger bleiben bzw. die Auflösung etwas zu knapp und trivial daherkommt.
Auch wenn die Autorin dieses Buch wieder einmal sehr schön geschrieben und mit einem angenehmen Humor versehen hat, ist es inhaltlich das schwächste der drei. An einigen Stellen hat man sogar das Gefühl, dass es gar nicht mehr um die Träume, den Dämon und die damit verbundenen Gefahren geht, sondern um ganz andere Themen. Dadurch fehlt der Spannungsbogen, den die vorherigen Bücher besitzen. Allerdings sind einige Botschaften in dem Buch versteckt, die gut ins Konzept der Geschichte passen und aus der Geschichte tatsächlich ein Jugendbuch machen. Diesen Aspekt sollte man beim Lesen im Auge behalten.
Sehr schön ist auch diesmal die Ausgestaltung des Hardcovers. Die Zeichnungen zu den Kapiteln sind sehr gelungen, auch die Darstellung der Seiten des Tittletattleblogs. Hier hat der Verlag wieder gute Arbeit geleistet. Für solch ein Buch gibt man die knapp 20 EUR gerne aus.
Eigene Meinung
Puh! Ich bin nicht ganz sicher, ob mir dieses Buch gefallen hat oder ob ich doch enttäuscht bin. Mit der Edelstein-Trilogie hat sich die Autorin wohl selbst die Latte ziemlich hoch gesteckt, was die Auflösung der Geheimnisse angeht. In dieser Reihe ist das Ende ziemlich trivial, dafür aber sehr nahe an der Realität gehalten, was natürlich auch einen gewissen Reiz hat und damit erfrischend anders ist. Wobei das doch Geschmackssache bleibt, ob man sowas mag oder nicht. Zumindest beweist Kerstin Gier damit Mut genug, die Sache nicht auf die übliche Art zu Ende zu erzählen. Auch spielt sie mit klassischen Elementen aus der Psychologie: Wie steigere ich mich in einen Angstzustand? Wie komme ich aus einer Notlüge raus, die sich plötzlich verselbstständigt? Was ist moralisch korrekt und was nicht?
Dazu packt sie eine Portion Liebe und die Erfahrungen mit dem ersten Mal, was für die jugendlichen Leser interessanter und spannender Stoff ist, mit dem sie sich identifizieren. Wie man hier gut erkennen kann, sind das ziemlich viele Themen für ein 462 Seiten starkes Buch, in dem es eigentlich um einen Dämon gehen sollte, der die Träume der Menschen kontrolliert und sich an abtrünnigen Gefolgsleuten rächen will.
Ziemlich krass für ein Jugendbuch fand ich die Beschreibung zu Anabel und ihrer Kindheit auf Seite 250. Doch dann musste ich an Harry Potter denken und mit den Achseln zucken. Anscheinend sind wir mittlerweile alle sehr abgehärtet. Dennoch, diese Szene bleibt mir im Gedächtnis.
Besonders verwirrt hat mich an diesem Buch eine Stelle: in der lässt Gier schwarze Federn im Traumkorridor regnen (Seite 261 ff.). Ich könnte schwören, diese Szene ist aus „Die Seltsamen“ von Stefan Bachmann geklaut bzw. kopiert. In seinem Buch sind es schwarze Federn, die eine Art Trichter bilden, um die seltsamen Kinder zu entführen. Aber gut, das kann Zufall sein und wäre auch nicht das erste Mal, dass sowas vorkommt.
An meisten verwundert hat mich das Ende des Buches. Es ist irgendwie zu abrupt. Lässt einiges offen und man könnte sogar den Eindruck bekommen, dass Gier sich noch ein Hintertürchen für einen vierten bzw. fünften Teil offen gelassen hat. Ob das tatsächlich so ist, weiß ich natürlich nicht.
Nichtsdestotrotz war es eine angenehme und leichte Lektüre, wenn auch nicht ganz so unterhaltsam wie die ersten beiden Teile, die wirklich verdammt gut sind. Aber wir werden sehen, was als nächstes kommt.
“„Die Frau hat jeden Tag die Einfahrt gekehrt und mit den Amseln geschimpft.“ „Meine Mutter hat eine Amselphobie.“…..“
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