Fragen an Daniela Höhne

Vom Lektorieren und Korrigieren

 

Besonders junge Autoren und Selfpublisher, die ihren Lesern nicht nur eine unterhaltsame Story, sondern einen gut lesbaren Text bieten wollen, kommen um ein Lektorat nicht herum. Über das Internet findet man heute viele Angebote und Webauftritte von Lektoren. Doch was genau macht einen Lektorat aus und was macht er bzw. sie eigentlich? Wie findet man den richtigen Partner für seinen Text? Wo liegt der Unterschied zwischen Lektorieren und Korrigieren? Diese Fragen möchte ich gerne Daniela Höhne stellen.

 

Seit einigen Jahren bist Du als Lektorin tätig und bietest auch ein professionelles Korrektorat an. Wie wird man Lektorin und wie bist Du zu diesem Beruf gekommen?

Der Beruf ist bisher an keine typische Ausbildung oder Studium geknüpft und unterteilt sich in Verlagslektoren und freiberufliche Lektoren. In einem Verlag übernimmt der Lektor Aufgaben, die sich zumeist mit Kalkulation und Planung beschäftigen. Die reine Textarbeit wird nach außen vergeben, oft an freiberuflich arbeitende Lektoren.
Es bietet sich an, ein Hochschulstudium absolviert zu haben, am besten ein Geisteswissenschaftliches oder Sprachstudium. Möchte man später in Wissenschaftsverlagen arbeiten, macht es mehr Sinn, wenn sich der (zukünftige) Lektor mit den Inhalten gezielt auseinandersetzen kann, ein naturwissenschaftliches Studium ist zu empfehlen. Das setzt natürlich voraus, dass man schon vor Beginn des Studiums festgelegt hat, wohin der eigene Weg führen soll – aber Plan B und C nicht vergessen. Den direkten Weg zu nehmen, gelingt nur wenigen. Darum ist der Beruf auch für Quereinsteiger geeignet, die bereits anderweitig qualifizierte Erfahrungen haben sammeln können. Je nach Aufgabenbereich bietet sich das sogar an.

Ich selbst habe schon immer gern gelesen und mit unserer Sprache gearbeitet. So bin ich auch zunächst als reine Freizeitbeschäftigung selbst zum Schreiben gekommen – etwas, dem ich heute nicht mehr nachgehe. Bereits 2001 haben wir, damals zu fünft, ein Schreibforum im Internet gegründet, das allen Gerneschreibern offen stand. In den zehn Jahren, das es bestand, haben wir vielen Autoren und Lesern helfen können. Während meines eigenen sozialwissenschaftlichen Studiums habe ich verschiedene Praktika absolviert und schon hier für Organisationen Flyer entworfen oder firmeninterne Broschüren Korrektur gelesen. Über das journalistischen Schreiben von Roman- und Filmkritiken und Artikeln für Zeitungen, Magazine und Onlineportale kam ich dazu, Gutachten für verschiedene Verlage anzufertigen. Bei meiner Arbeit in Verlagen und Redaktionen lernte ich neben meinem ehrenamtlichen Engagement genug, um beschließen zu können, all meine Fertigkeiten zu bündeln und zum Beruf(ung) zu machen. Als ich einmal drin war, kamen immer mehr Aufgabengebiete hinzu – und durch einen großen Zufall schließlich der Entschluss, selbst einen kleinen Verlag zu gründen.

 

Wie gehst Du an einen Text bzw. ein Manuskript heran, wenn Du es bekommst?

Bevor ich an einen Text gehe, habe ich auf jeden Fall Rücksprache mit dem Autor oder Verlag gehalten. Ich kenne sämtliche Eckdaten, also Genre, Zielgruppe, Umfang, Debüt, Folgeroman usw. – und natürlich auch den zeitlichen Rahmen, in dem ich mit meiner Arbeit fertig werden muss. Wenn ich Glück habe, bekomme ich das sogar hin. Leider verschieben sich Termine immer mal wieder, so dass auch ich Projekte oder Zeiten schieben muss.
Nachdem alles geklärt ist und ich weiß, was genau ich leisten soll, schaue ich einmal quer über das Dokument, um die Form abzuschätzen. Dann ändere ich die Schriftart in eine, die mir beim Arbeiten besonders liegt und lege los.

 

Was macht ein Lektor nicht?

Texte völlig neu schreiben. Wenn ich einen Text bekomme, den ich aufgrund seiner fehlenden Qualität selbst nicht bearbeiten kann, gebe ich ihn wieder aus der Hand.
Texte entfremden; am Ende jeder Arbeit ist die Schriftsprache des Autors noch klar erkennbar.
Alles andere lässt sich aushandeln und im Zweifelsfall ist es immer besser, einfach nachzufragen.

 

In welcher Hinsicht kann ein Lektorat einen Text verbessern?

Es gibt ein Phänomen, das alle Autoren und Journalisten kennen werden: Bei eigenen Texten wird man blind. Da kann man noch so oft drüberlesen, irgendwann verwandelt sich das Geschriebene in das, was man haben möchte und nicht in das, was wirklich dasteht. Im Idealfall gibt es dann jemanden, der noch einmal zusätzlich Fehler raussammelt, aber meistens nicht.

Jemanden mit Erfahrung dafürLogo verlorene Werke zu beauftragen, quasi mitzulesen, macht also durchaus Sinn. Das kann Kleinigkeiten betreffen: die Farbe des Autos ist plötzlich rot, das Geburtsjahr liegt zu weit zurück oder die Figur begegnet jemandem, der zwanzig Seiten zuvor gestorben ist. Aber auch stilistisch lässt sich noch einiges verbessern, Wortwiederholungen, Füllwörter oder die gefürchteten Klischeesätze. Einige Lektoren liefern ausführliche Erklärungen und Anmerkungen dazu und so lässt sich oft noch Neues lernen. Für die eigene Weiterentwicklung bekommt der Autor also meist auch noch etwas geboten.

Was muss der Autor nach einem Lektorat und/oder Korrektorat auf jeden Fall noch selbst tun?

Die Fehler ausbessern, bietet sich geradezu an.
Manchmal sind es einzelne Sätze, die ausgetauscht oder gestrichen werden müssen. Oft sind es kleine Szenen, die umgearbeitet werden oder inhaltliche Sachbezüge, die verändert werden sollten. Auch auf rechtliche Grauzonen kann und sollte ein Lektor hinweisen, vor allem wenn es um Zitate und Ähnliches geht. Wenn es im logischen Ablauf stockt, kann es passieren, dass ganze Kapitel getrennt, gestrichen oder neu geschrieben werden müssen. Das ist von Werk zu Werk unterschiedlich. Ein bisschen Engagement und Arbeit seitens des Autors gehört also dazu.

 

Du bietest auch Gutachten an. Was kann man sich darunter genau vorstellen und für wen macht so etwas Sinn?

Ein Lektorat hat natürlich auch seinen Preis. Nicht alle können sich das leisten, hätten aber trotzdem gern eine qualifizierte Rückmeldung, vor allem wenn das eigene Werk bei Testlesern oder sogar Verlagen nicht ganz so gut angekommen ist.

Ein Gutachten analysiert den Text auf Stärken und Schwächen, enthält eine ausführliche und fundierte Meinung dazu und zeigt schonungslos ehrlich, wo unter Umständen noch einmal neu angesetzt werden muss. Dabei werden aber auch Qualitäten gewürdigt und Fähigkeiten hervorgehoben. Der Autor weiß nach einem Gutachten auf jeden Fall, ob ein Lektorat für ihn schon Sinn macht oder ob er noch ein wenig werkeln muss.

 

Gibt es ein Genre, das Du besonders gerne lektorierst oder eins, das Du kategorisch ablehnen würdest?

Ich bin von jeher ein Kind der Phantastik, weil es zu mir und meinem Werdegang am besten passt. Hier kenne ich mich auch sehr gut aus und kann somit eine wertvolle Unterstützung für alle Autoren sein. Vor einigen Jahren habe ich ebenfalls viel im Metier „Liebesroman“ (in allen Untergenres) gearbeitet. Auch hier besitze ich umfassende Kenntnisse.
Es ist zwar kein Genre, jedoch arbeite ich nicht nur an und mit Romanen, sondern auch Reihen und Heftromanen beider Genres, die, auch wenn sie sich oft miteinander verbinden, hierbei getrennt zu betrachten sind.
Außerdem habe ich Jugendromane, Thriller, Horror und Romane, die auf einer wahren Begebenheit beruhen, bearbeitet.
Ich lehne nie etwas von vorneherein ab und probiere auch gern Neues aus.

 

Kann bzw. sollte sich ein Lektor auf ein Genre spezialisieren? Welche Vor- und Nachteile hätte das aus Deiner Sicht?

Es bietet sehr viele Vorteile, wenn sich ein Lektor auf ein bestimmtes Genre spezialisiert, denn jedes einzelne hat ganz eigene Gegebenheiten und Regeln, die man kennen sollte. Das setzt die Lektüre aller bekannten und zumindest einiger weniger bekannten Romane im Genre/Untergenre voraus, ganz zu schweigen von der „historischen“ Entwicklung. Vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren schrieb man anders als heute und doch haben sich einige Werke als Klassiker erhalten oder sogar spätere Autoren in ihrem Schaffen beeinflusst. Warum das so ist, sollte eruiert werden können, sonst macht es wenig Sinn, jemanden beraten zu wollen.

 

Wie geht ein Lektor mit seinem persönlichen Lesegeschmack um, wenn er an einem Manuskript arbeitet? Kann man den bei der Arbeit an einem Text abschalten?

Abschalten kann man diesen nie. Beim Lesen eines Romans, auch wenn privat gelesen, analysiere ich unbewusst oft verschiedene Dinge, so auch Plot, Logik, Zielgruppe, Markt. Dass mir aber ein Text gar nicht gefällt, passiert eher selten und wenn, dann liegt es vor allem an Dingen, an denen man arbeiten kann, also Inhalt, Charaktere, Dialoge etc.

 

Auf Deiner Seite www.verlorene-werke.de findet man unter Referenzen einige Bücher, an denen Du gearbeitet hast. Darunter sowohl Romane als auch Anthologien. Was ist die größere Herausforderung für ein Lektorat?

Jedes Werk ist eine neue Herausforderung, das macht das Ganze ja so spannend. Bei Kurzgeschichten müssen andere Dinge beachtet werden, als bei einem dreihundert Seiten Roman, als bei einem Heftroman. Auf diese geschickt einzugehen, ist nicht immer einfach, aber auf jeden Fall machbar. Anthologien sind insofern eine Besonderheit, weil man hier mit mehreren Autoren und somit mehreren Schriftstimmen zu arbeiten hat. Das bedeutet, dass weniger Zeit bleibt, um sich mit der individuellen Aufarbeitung des jeweiligen Autors vertraut zu machen. Auch bei Heftromanen können verschiedene Autoren vertreten sein, aber hier ist mehr (Seiten-)Raum, sich zu entfalten und die Anzahl der Schreiber überschaubar.

 

Gerade für Autoren und Schriftsteller, die ihr erstes Manuskript oder ihren ersten Roman fertig haben, ist es gar nicht so einfach einen Lektor zu finden. Welchen Rat kannst Du ihnen mit auf den Weg geben?

Am besten ist es, sich bei befreundeten Kollegen zu erkundigen, wo diese gute Erfahrungen gemacht haben. Aber auch eine lose Suche im Internet bietet sich an, da freiberufliche Lektoren oft eine eigene Homepage besitzen. Macht diese einen guten Eindruck, sollte man einfach mutig sein und eine E-Mail schreiben, darüber freut sich jeder Lektor. Normalerweise bieten Freischaffende eine Probearbeit an, die man auch nutzen sollte. Hierzu werden fünf bis zehn (oder mehr) Seiten an den Lektor gesendet, der diese wie zuvor abgesprochen bearbeitet. Dann hat der Autor einen guten Blick darauf, ob geleistet werden kann, was er sucht.

 

Einige Lektoren behaupten, sie könnten Bücher nicht mehr genießen, weil sie diese unbewusst genau wie die zu bearbeitenden Texte lesen. Kannst Du das bestätigen?

Wenn ich eine intensive Arbeitsphase hinter mir habe, braucht es tatsächlich etwas Zeit, ehe ich mich von den Buchstaben lösen und einfach nur die Geschichte genießen kann. Bin ich aber einmal drin, werde ich zum Schmökerer und dann ist mir der Rest oft herzlich egal, auch wenn sich das analytische Hirnteil wohl nie mehr ganz abstellen lassen wird.

 

 

Meinen herzlichen Dank an Daniela Höhne für diese ausführlichen und interessanten Antworten und den Einblick in die Arbeit eines Lektors bzw. einer Lektorin. Es freut mich sehr, dass Du Zeit gefunden hast, meine vielen Fragen zu beantworten.

Jedem Selfpublisher sei ans Herz gelegt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Leser sind kritisch und ein Lektorat kann helfen, die eigenen Texte zu verbessern.  

Wer mehr über die Tätigkeit von Daniela Höhne erfahren möchte, besucht am besten ihre Website.

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