Der Fänger im Roggen

J.D. Salinger

…Falls Sie wirklich meine Geschichte hören wollen, so möchten Sie wahrscheinlich vor allem wissen, wo ich geboren wurde und wie ich meine verflixte Kindheit verbrachte und was meine Eltern taten, bevor sie mit mir beschäftigt waren, und was es sonst noch an David-Copperfield-Zeug zu erzählen gäbe, aber ich habe keine Lust, das alles zu erzählen. Erstens langweilt mich das alles, und zweitens bekämen meine Eltern pro Nase zwei Schlaganfälle…

Dieses Buch ist so berühmt, dass ich mir eine ausführliche Inhaltsangabe sparen will, also nur kurz:

Holden Caulfield fliegt von der Schule bzw. vom Internat. Dummerweise ist es nicht die erste Schule, die er wegen schlechter Leistungen verlassen muss. Es ist kurz vor Weihnachten und Holden hat Angst vor der Zeit nach Hause zurückzukehren, da er nicht weiß, wie seine Eltern auf den erneuten Rausschmiss reagieren werden. In der Schule will er aber auch nicht bleiben und so schnappt er seine Sachen und steigt in einem New Yorker Hotel, nicht weit von der elterlichen Wohnung, ab. Von da an beginnt er, die Zeit mit Rauchen, Saufen und Verabredungen zu verbringen. Dabei treiben ihn seine Gedanken immer weiter in die Verzweiflung und dann will er nur noch eines: ein letztes Mal mit seiner wesentlich jüngeren Schwester Phoebe sprechen und New York für immer verlassen. Doch soweit kommt es gar nicht.

 

Rezension?

Bedarf so ein Bestseller überhaupt noch einer Rezension? Schließlich wurde er von Literaturkennern und -wissenschaftlern von vorne bis hinten besprochen. Man untersuchte es auf gesellschaftskritische Standpunkte und psychologische, eigentlich auf alles. Was will man zu einem solchen Werk schreiben, durch das sich sicherlich einige von Euch zu Schulzeiten gewurschtelt haben. Ich gehöre auch dazu. Wir mussten dieses Buch im Englischunterricht lesen.

Nach all der Zeit, denn das Abitur ist bei mir (Jahrgang 1996) jetzt doch eine ganze Weile her, musste ich feststellen, dass ich überhaupt keine Ahnung mehr hatte, worum es bei der Erzählung geht. Alzheimer? Nicht aufgepasst? Oder hatte es mich schon damals überhaupt nicht berührt? Wohl eher das letztere. An Bücher kann ich mich, wenn sie mich denn berühren, unglaublich gut erinnern.

Dieses Buch ist bzw. war ein Bestseller, erschienen 1951 in der Erstausgabe und bis heute bekannt. Nicht viele Romane können über so viele Jahre so einen Bekanntheitsgrad nachweisen. Es ist mit Sicherheit eine gute Story, aber eben nicht für mich.

 

Eigene Meinung

Vor mir liegt also eine Ausgabe von 1962 aus dem Verlag Kiepenheuer & Witsch. Sie sieht fast so aus wie die zu meinen Schulzeiten. Ich habe mich durch sie hindurchgequält, wie zu Schulzeiten durch die flattrige englische Version, die damals noch erbärmlicher aussah, als diese hier. Das Schicksal jedes Schulbuchs schätze ich. Das englische hatte, abgesehen vom Titel, einen lilanen Rahmen als Cover, die deutsche trägt eine rote Jagdmütze.

Bereits nach 52 Seiten hatte ich keine Lust weiterzublättern. Bis dahin habe ich die Worte „verdammt“, „zum Teufel“, „Großer Gott“ und „lügen“ gefühlte 200 Mal gelesen. Wahrscheinlich würde man heute andere wählen und genauso oft verwenden? Ab der Mitte liest man eigentlich nur noch das Wort „affektiert“. Alles und jeder sind affektiert. Fragt sich, ob das in Jugend- und Weltliteratur wirklich was zu suchen hat, wobei hier nicht die Worte sondern deren Wiederholung gemeint ist. Das aber nur am Rande. Wahrscheinlich bin ich nur sehr pingelig oder verkenne dieses Stilmittel.

Vielleicht liegt es auch daran, dass der Roman bereits in den 50ern erschienen ist. Wer von uns jüngeren Lesern hat noch eine Vorstellung davon, wie es damals war? Keiner hat in der Zeit gelebt, wenn wir heute dieses Buch in der Schule oder im Studium bzw. zur Unterhaltung lesen. Es kann doch gut sein, dass dieser Holden, für die damalige Zeit, ein absolut tragischer Held war und ein Revoluzzer. Heute würde man über so einen Werdegang eher die Achseln zucken und weniger diplomatisch behaupten „Null-Bock-Generation und von Beruf Sohn, der Vater hat es schließlich“. Denn sind wir doch ganz ehrlich: welcher Jugendlicher in der heutigen Zeit könnte es sich leisten, in einem Hotel abzusteigen, weil er von der Schule geflogen ist und dann noch sich eine Prostituierte aufs Zimmer kommen lassen – gewollt oder ungewollt – sich in Bars rumtreiben, um seinen Weltschmerz zu ersaufen? Gut, aber vielleicht verkenne ich auch das. Schließlich geht es um Gesellschaftskritik, so die Gelehrten und Professoren, da braucht es eine gewisse Kulisse. Und es geht um eine andere Zeit. Aber mir ist nicht klar, was damals so unglaublich cool an diesem Buch war und ggf.heute ist.

Da ist also dieser junge Kerl Holden, der von einer teuren Privatschule nach der anderen fliegt, mit seinen 17 Jahren nach dem Sinn des Lebens sucht, alles Scheiße findet und sich dem System entzieht bzw. eher daran verzweifelt. Muss wohl zur damaligen Zeit, einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg, bahnbrechend und mutig gewesen sein. Das kann ich nachvollziehen. Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist wieso man diesem Buch eine „einfühlsame“ und „die Jugend verstehende“ Sprache andichtet. Für mich sind das 270 Seiten teils langweiliger Schilderungen. Eine Erzählung über einen Feigling, denn so bezeichnet sich der Protagonist selbst. Fürwahr! Doch selbst der Autor war zu feige, seinen Protagonisten so richtig abstürzen zu lassen. Denn so „richtig am Ende“ sitzt Holden auf einer Parkbank und schaut seiner kleinen Schwester beim Karussell fahren zu. Ich bin ja hin und weg! Da lassen andere Autoren ihre Prots irgendwo zusammengeschlagen in der Gosse liegen, heulend in einer Ecke oder wirklich verzweifelt am Telefon, an das keiner rangeht oder sogar sterben und diese WELTLITERATUR endet mit einer Karussellfahrt. Das ist an Gesellschaftskritik wahrlich nicht zu toppen!

Sei’s drum. An dieser Erzählung muss etwas sein. Den Erfolg kann und will ich dem Buch nicht absprechen. Vielleicht habe ich auch zu viele Kriegsbücher wie 0815, Die Stalinorgel, Die Zeit der Wölfe etc. gelesen, so dass ich mir kaum vorstellen kann, was da die vielbesprochene Gesellschaftskritik ist. Vielleicht liegt es daran, dass es sich dabei um Amerika und nicht Europa dreht. Einen Grund hat es bestimmt. Wahrscheinlich liegt es an mir und meiner Generation, den 70ern, die von vielen Dingen bereits zu weit weg sind.

Möglicherweise bin ich zu alt. Habe ich mit 16 Holden wesentlich besser verstanden? Ich habe versucht mich zu erinnern. Ohne Erfolg. Das könnte aber auch daran liegen, dass mein Leben mit 16, 17 vielleicht sogar 18 (ich weiß nicht mehr, in welcher Klasse wir das Buch im Englischunterricht gelesen hatten) einfach nur geil war. Heute, mit knapp 38, kann ich zumindest die Verzweiflung und die Orientierungslosigkeit nachempfinden. Gesellschaftskritik sehe ich nicht. Liegt es an der heutigen Zeit, die so verlogen ist, dass es sich nicht lohnt über Holdens Probleme auch nur zu schmunzeln, geschweige denn nachzudenken? Gewiss, die Dinge haben sich geändert.

Doch die Tatsache, dass dieser Roman Schullektüre war, beängstigt mich ein bisschen. Ob nun „Die Welle“, „1984“, „The Hunger Games“ und „Twilight“ die bessere Alternative sind, kann ich nicht beurteilen, aber man kann erkennen, das wohl jede Zeit seine eigenen Bücher hervorbringt.


Fazit:

Ich kann mir vorstellen, warum dieser Roman so erfolgreich war, aber ich kann mir nicht erklären, warum er es noch sein soll. Auch schreibt Salinger nicht so überragend, dass einen die Formulierungen umhauen oder für immer hängenbleiben. Von der Handlung ganz zu schweigen. Der Stil ist unglaublich trivial und mit Wortwiederholungen gespickt. Mit Nebensächlichkeiten, die uninteressant sind und wie bereits erwähnt mit langweiligen Passagen vollgestopft. Nichts, an dem man sich ein Vorbild nehmen könnte oder wollte.

Vielleicht hat Salinger sich einfach den eigenen Frust von der Seele geschrieben, denn nach diesem Buch kam bekanntlich nicht mehr viel.

„Ein intelligentes Mädchen versucht zum Beispiel oft zu führen, oder sie tanzt so schlecht, dass man am besten nur mit ihr am Tisch sitzen bleibt und sich betrinkt.“

Zumindest gefiel mir diese Aussage ausgesprochen gut. Da ist was dran.

„In meiner Dummheit hatte ich sie immer für recht intelligent gehalten. Und zwar deshalb, weil sie in Bezug auf Theater und Literatur und so weiter ziemlich gebildet war. Wenn jemand sich mit diesem Zeug auskennt, dauert es lange, bis man herausfindet, ob er eigentlich intelligent oder dumm ist.“

 

a book from your childhoodFür dieses Buch setze ich ein Häkchen bei der Reading-Challenge 2015 bei „a book from your childhood“. Gut, ich war bereits Teenager, aber da darf man jetzt nicht so streng sein.

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