Apokalypse jetzt!
Greta Taubert
Am Küchentisch fasse ich einen Entschluss: Ein Jahr gebe ich mir Zeit herauszufinden, wie ich ein Leben nach dem Crash meistern könnte. Ich will lernen, woher ich Essen bekomme, wo ich unterschlüpfen könnte, was ich selbst machen kann, wie viel ich wirklich brauche…
Greta bekommt es mit der Angst zu tun. Was passiert, wenn die Apokalypse tatsächlich bevorsteht? Dieser Gedanke schießt ihr ausgerechnet an dem vollen Essenstisch ihrer Großmutter durch den Kopf. Also startet sie im Selbstversuch, wie man sich am besten auf eine Krise vorbereitet. Die ersten Schritte scheinen einfach: zuerst einmal ein Notfallpaket über den Vorratskalkulator des Bundesamtes für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zulegen. Eingekauft ist schnell, doch zwei Wochen davon leben eine ganz andere Sache. Denn genau das muss sie am eigenen Leib feststellen und nimmt ohne es tatsächlich zu wollen erst einmal einige Kilos ab. Doch diese Erfahrung ist erst der Anfang.
In 15 Kapiteln begleiten wir Taubert ein Jahr lang bei dem Versuch herauszufinden, wie schon jetzt die Menschen versuchen losgelöst vom schnellen Konsum zu leben. Dabei lässt sie nichts aus. Von lehrreichen Dingen wie dem eigenen Anbauen von Obst und Gemüse, über nähen und tauschen, bis hin zum containern und trampen probiert sie das autarke Leben ohne Geld aus. Wer hier allerdings durchweg positive Erlebnisse und verklärte Aussteigerromantik vermutet, wird bald merken, dass Taubert es mit dem Versuch sehr Ernst genommen hat. Denn Magen- und Bauchkrämpfe von der Urkostdiät bleiben ihr genauso wenig erspart, wie die Kotzattacke in einer Gemeinschaftsküche, als sie versucht die containerten Sachen zu verkochen. Auch Flöhe fängt sie sich ein und muss ein Feuer in einem Hundenapf machen, um sich zu wärmen.
Trotzdem bleibt sie in ihren Berichten immer professionell. Dem Leser wird weder eine Weltanschauung aufgedrängt, noch der mahnende Zeigefinger vorgehalten. Taubert schafft es mit einem natürlichen Humor und kritischem Hinterfragen die Vor- und Nachteile von Kommunen und Lebenseinstellungen aufzuzeigen, beschreibt die Auswüchse unserer Gesellschaft in Bezug auf Autarkie, Bio und Öko, untersucht einige Utopien und Ideologien auf Alltagstauglichkeit und muss einige Male feststellen, dass viele Gruppen eher der Zusammenschluss frustrierter Gleichgesinnter sind, die zwar die Systeme und die Gesellschaft verteufeln, aber keine wirkliche Lösungen präsentieren können. Genug Stoff zum Nachdenken ist bei jedem Kapitel dabei. Ein Fazit kann sie am Schluss ihres Experiments auf jeden Fall ziehen: Ohne Gemeinschaft und Netzwerk überlebt man nicht. Man braucht Kontakte und Verbindungen, um in Krisenzeiten zu überleben.
Eigene Meinung
Ein geniales Buch hat die freie Autorin Greta Taubert hier abgeliefert. Vor allem räumt sie mit einigen Traumvorstellungen auf: es ist in der Stadt nicht ohne Weiteres möglich, sich kurzerhand und neben einem Fulltime-Job ausschließlich von selbstangebautem Gemüse zu ernähren. Autarkes Leben kostet neben Kraft und Erfahrung in erster Linie eine Menge Zeit. Ein Aspekt, der bei vielen Diskussionen um die Themen Nachhaltigkeit, Bio und Öko sehr gerne unter den Tisch fallen gelassen wird.
Sicherlich, man könnte Taubert ankreiden, dass sie fast alle Informationen, Adressen, Projekte und Organisationen zu ihrem Versuch in erster Linie aus dem Internet recherchiert. Doch warum sollte man dieses Medium nicht nutzen, wenn es zur Verfügung steht? Viel interessanter ist die Erkenntnis im Laufe aller Versuche, dass die menschlichen, also die realen Netzwerke wesentlich besser funktionieren, als die digitalen.
Mit Erschrecken muss man feststellen, dass sich mit der Angst der Menschen immer noch das meiste Geld manchen lässt, wenn man das Kapitel zum Horten aufmerksam liest. Beruhigend hingegen die Feststellung, dass man auch ohne Geld dazu neigt, Sachen anzusammeln und zu konsumieren. Lediglich die Einstellung zur Beschaffung und Notwendigkeit ändert sich. Ob dies in Zeiten einer Krise Sinn macht und inwieweit es auf eine Apokalypse vorbereitet, sei dahingestellt.
Etwas genervt hat hier und da das Wörtchen „autark“, aber irgendwie muss man die Dinge beschreiben. Nichtsdestotrotz lesens- und nachdenkenswert. Eine erfrischende Abwechslung zu der üblichen Unterhaltungslektüre ist dieses Buch allemal.
“die Kräuterfreunde konnten mittlerweile schon den Nordic-Walking-Gruppen zahlenmäßig Konkurrenz machen.“
“Alternativ sein ist voll der Stress, dachte ich. Ständig muss man wissen, wer man ist, was man will und wie sich das mit der Gemeinschaft verträgt. Selbst wenn es um ein simples Abendbrot geht—
“Es kommt mir vor wie Prostitution, derart werbend am Straßenrand zu stehen. Die Selbsterniedrigung des Flehens macht mir zu schaffen…“
“Seit die US-Amerikanerin Rachel Botsman ihr Buch mit dem Titel What’s mine is yours veröffentlichte, steht die Behauptung in der Welt, dass meine Generation gerade einen Wertewandel vollzöge. Die Unter-35-Jährigen wollten nutzen statt besitzen. Haben ist out, Sein ist in—
“Wie kann man es schaffen, die eigenen Bedürfnisse herunterzufahren, weil man weiß, dass sie der Welt auf Dauer schaden? „Gar nicht“, sagt Imma…„Ich halte nichts davon, irgendetwas vorzuleben, das die Welt retten soll. Du kannst deine Bedürfnisse nicht dauerhaft hinter ein Bewusstsein zurückstellen—
“und die Vorwürfe anderer („Aber den fairen Kaffee trinkst du aus dem Pappbecher?“). Schwächen sind erlaubt, Widersprüche unvermeidlich—
Einen ganz herzliches Dankeschön an den Verlag Eichborn von Bastei Lübbe AG für dieses Rezensionsexemplar. Ein Buch zum Mitdenken und Recherchieren, vielleicht sogar Nachmachen!
Bastei Lübbe – ISBN 978-3-8479-0540-0
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