Die Stadt der Träumenden Bücher
Walter Moers
Der junge Dichter Hildegunst von Mythenmetz erbt ein makelloses Manuskript, dessen Geheimnis er ergründen möchte. Die Spur weist nach Buchhaim, der “Stadt der Träumenden Bücher”
Hildegunst von Mythenmetz ist gerade einmal 77 Jahre, als sein Dichtpate verstirbt. Ein herber Verlust für den angehenden Dichter und Bewohner der Lindwurmfeste. Er tritt das kleine, aber feine Erbe seines Paten an, der nur ein einziges Buch geschrieben hatte, was für Echsen verdammt wenig ist. Beim Durchstöbern der Regale findet Hildegunst in einem der Bücher ein Manuskript ohne Namen. Neugierig fängt er an zu lesen. Er lacht, er weint, er nickt zustimmend, er staunt und dann bleibt er einfach sitzen und starrt in die Luft. Was für ein geniales Werk! Doch wer hat es verfasst und warum hat sein Pate ihm nie etwas davon erzählt? Hildegunst ist nicht zu halten. Er will wissen, wer dieses Meisterwerk geschrieben hat. Das erste Mal in seinem Leben verlässt er die Lindwurmfeste und reist nach Buchhaim, der Stadt der Träumenden Bücher. Mit wenig Geld und noch weniger Lebenserfahrung schlägt er sich durch die Stadt, in der sich alles um das Schreiben, die Dichtung und vor allem Bücher dreht. Doch schon bald muss er feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, den Verfasser des Manuskripts auszumachen und dass jede Stadt, möge sie auch noch so überwältigend sein, ihre dunklen Seiten hat.
Walter Moers entführt die Leser nach Zamonien, auf einen Kontinent, der die unterschiedlichsten Daseinsformen beheimatet. Seinen Protagonisten, den jungen und wohlbehüteten Hildegunst, schickt er vom “Dorf” in die Großstadt. Völlig unbedarft stolpert die Echse in das knallharte Leben und den Kampf um den Buchmarkt. Doch so richtig beginnt die Geschichte erst, als Mythenmetz in den Katakomben von Buchhaim erwacht, die um ein Vielfaches größer sind, als der obere Teil der Stadt. Zuvor lässt er seine Leser, gemeinsam mit Hildegunst, Buchhaim erkunden. Sei es der Besuch in einem Antiquariat, ein Trompaunen-Konzert oder die Holzzeit. Man genießt mit dem Lindwurm eine Dichterlocke, ein schmackhaftes und günstiges Gebäck in Buchhaim und bewundert die vielen Schaufenster.
Mit unglaublich viel Liebe zum Detail gestaltet Moers Zamonien und genau diese Details machen das Buch so lesenswert. Erst wenn man richtig in die Welt eingetaucht ist, beginnt das Abenteuer und das ist nicht ganz ohne, denn zimperlich ist der Autor nicht. Wenn Köpfe rollen, dann richtig und an Phantasie mangelt es Moers sicherlich nicht. Trotz ausführlicher Beschreibungen hat die Erzählung keine Längen. Die Handlung kommt zügig voran, obwohl der Autor es sich nicht nehmen lässt, sogar selbsterfundene Worte zu erklären, bzw. sie entsprechend aus dem Zamonischen zu übersetzen. Ausgesprochen sympathisch kommt der Protagonist daher. Die Echse von der Lindwurmfeste ist zu Beginn ein bisschen unbeholfen und naiv und stolpert auf Grund dieser Eigenschaften schneller als ihr lieb ist, in ein unglaubliches Abenteuer.
Auch das Taschenbuch enthält viele schöne Tuschezeichnungen, die Bilder aus Zamonien und der Handlung zeigen. Das versüßt einem das Lesevergnügen umso mehr. Eine gelungene Mischung aus Fantasy und Humor. Unterhaltsam und fesselnd. Ein Lesespaß für alle, die sich gerne in eine andere Welt entführen lassen. Wer hinter diesem Buch ein Kinder- oder Jugendbuch vermutet, der sollte bitte etwas aufpassen. Einige Stellen sind doch gruselig und brutal.
Eigene Meinung
Mich hatte Der Schrecksenmeister schon sehr begeistert. Neben Pratchett habe ich schon lange nicht mehr eine so angenehme Lektüre in der Hand gehabt, wenn es um humoristische Fantasy geht. Zwar kann man Moers und Pratchett kaum vergleichen, doch der Unterhaltungswert ist gleich.
Moers hat eine sehr schöne Art Charaktere aufzubauen, so dass man sich schnell verbunden fühlt. Man fiebert gerne mit den Protagonisten mit, man lacht und weint mit ihnen und am liebsten würde man mit ihnen kämpfen, wenn es sein muss. Gut, ein Murch wäre ich ungern, aber zur Not auch das. Besonders gefallen haben mir auch dieses Mal die vielen Details, mit denen Zamonien beschrieben wird und die ausgesprochen passenden Namen, die Moers nicht nur den Personen, sondern auch den Dingen gibt. Alles ist aufeinander abgestimmt. Auch das Ende passt hervorragend, obwohl es durchaus traurig stimmt.
Lesenswert? Auf jeden Fall!
“In der Tür des Hauses, die lautlos aufgegangen war, lehnte eine Haifischmade. Ich hatte schon ein paar Vertreter dieser Daseinsform in Buchhaim gesehen, aber das hier war ein besonders beeindruckendes Exemplar. Der Madenkörper wirkte grotesk, mit seinen vierzehn dürren Ärmchen und dem halslosen Kopf mit Haifischgebiß. Die Kuriosität der Erscheinung wurde auch nicht durch die Tatsache gemindert, dass sie einen Imkerhut trug.”
“…’Jeder kann schreiben’, sagte er. ‘Es gibt welche, die können ein bisschen besser schreiben als die anderen – die nennt man Schriftsteller. Dann gibt es welche, die besser schreiben können als die Schriftsteller. Die nennt man Dichter. Und dann gibt es noch Dichter, die besser schreiben können als andere Dichter. Für die hat man noch keinen Namen gefunden.’…”
“Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir. Das Leben ist eine Reise in die Fremde.”
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