Mike Oldfield im Schaukelstuhl
Notizen eines Vaters
Werner Lindemann
„Mike Oldfield im Schaukelstuhl“ erschien 1988, geschrieben wurde es Anfang der achtziger Jahre, als Till (im Buch heißt er Timm) bei seinem Vater in einem Mecklenburger Bauernhaus wohnte. Werner Lindemann starb 1993. Er hat den Erfolg seines Sohnes als Sänger der Band „RAMMSTEIN“ nicht mehr erlebt.
Es ist September und Lindemann wohnt alleine und etwas abgeschieden im Bauernhaus, während die restliche Familie in der Stadt lebt. Plötzlich steht sein Sohn in der Tür und zieht in die Dachkammer. Die Männer müssen sich arrangieren. Zwei Generationen unter einem Dach.
Werner Lindemann erzählt aus dem gewöhnlichen Leben, dem Alltag mit sich, seinem Sohn und den Gedanken. Wer hier dramatische Szenen und skandalöse Geheimnisse vermutet, wird ganz schnell merken, dass Werner Lindemann ein ganz anderes Ziel verfolgt. Es geht um das Verstehen zwischen Eltern und Kindern, lernen von- und miteinander. Vielleicht auch in kleinen Dingen zu erkennen, dass man doch zusammen gehört. Verbundenheit. Im Mai verschwindet Timm genauso plötzlich, wie er zuvor erschienen war. Hier endet auch das Buch.
Zwischendurch erzählt Lindemann immer wieder von den eigenen Erlebnissen der Jugend, der Kriegszeit, seiner eigenen Lehrzeit beim Großbauern, Szenen unter Beschuss durch die Engländer, wie er mit Freunden zum Damensalon in einer Kleinstadt ging. Parallelen zwischen damals und heute.
Lindemann schreibt unglaublich schön. Kann man eine Schreibweise als ruhig bezeichnen? Falls ja, dann schreibt dieser Autor ruhig. Die Sätze sind kurz und prägnant, teilweise mit sehr viel Gefühl.
Eigene Meinung – nicht nur etwas für Rammsteinfans
Sicherlich, dieses kleine Buch ist bei Rammsteinfans bekannt, doch eigentlich hat es mit der Band überhaupt nichts zu tun. Hier erzählt ein Vater über sich und die Erlebnisse mit seinem Sohn. Macht eine Rückblende auf die eigene Jugend. Hierbei nutzt er eine wunderschöne Sprache, greift die Natur auf und zeichnet wundervolle Bilder aus dem Alltag. Für ruhige Tage und stille Gedanken. Wirklich angenehm.
“Immer wieder in Losungen: Geborgenheit, geborgen, Sicherheit, sicher…Wörter, hinter dem warmen Ofen zu singen. Dort vollzieht sich nichts Stürmisches, Umwälzendes, Revolutionäres. Wörter, die einschläfern in Zeiten, die nach Aktivität, nach Einmischung verlangen.
Der Fortschritt fordert Unruhige, nicht Geborgene….“
“Da steht ein alter Baum.
In ihm ein hohler Raum.
Darinnen wohnt ein Specht.
Mir ist’s recht….“
“Da sagt der Wind zum Winter: Schäm dich, so dreckig herumzulaufen! Und dann stülpte er ihm ein frisches, gestärktes weißes Hemd über….“
“Morgensonne in maigrünen Hosen. Rapsfeld – goldenes Parkett für tanzende Bienen. —
Möchte man den Songwriter der Band Rammstein im Vergleich zu seinen Vater sehen, so lässt sich zumindest sagen, dass beiden ein hervorragendes Sprachgefühl haben und wohl teilweise denselben Humor. Dies aber nur Mutmaßungen, über die die Betroffenen wahrscheinlich schmunzeln würden.
Notiz am Rande: Als ich zur Grundschule ging, mussten wir immer nach den Hausaufgaben noch ein Gedicht oder einen längeren Text in das Schönschriftheft übertragen. Die Mutter meiner damaligen Freundin war der Meinung, dass so eine Übung die Handschrift verbessere. Die Inhalte waren stets uninteressant. Was für eine stumpfsinnige Art Kindern etwas beibringen zu wollen.
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