Rammstein Interpretationen – Du riechst so gut
Rammstein werden viele Dinge nachgesagt. Es existieren etablierte Vorurteile, die mittlerweile so sehr zu dieser Band gehören, wie ihre pyrotechnische Bühnenshow. Heute allerdings möchte ich einen Text näher betrachten, der wirklich das Animalische zeigt. Ein Thema, das Rammstein tatsächlich nicht nur angedichtet wird, sondern in einigen Texten sehr deutlich behandelt wird. Auch in dem folgenden Song.
Du riechst so gut
(Till Lindemann – Rammstein – Album Herzeleid)
Der Wahnsinn ist nur eine schmale Brücke
Genie und Wahnsinn liegen nahe beieinander. Diesen Ausspruch kennen wir alle und haben ihn schon im Zusammenhang mit großen Namen gehört. Der Wahnsinn ist eine Zwischenwelt. Ein begehbares und wirkliches Konstrukt zwischen zwei Extremen, die unterschiedlicher nicht sein können.
Die Ufer sind Vernunft und Trieb
Auf der einen ist die Vernunft und mit ihr die reale Welt, die Gesellschaft, vielleicht sogar eine Form von Wirklichkeit. Das Denken wird rein vom Denken bestimmt, Ursache und Wirkung gegeneinander abgewägt. Die andere Welt ist rein emotional und vom Instinkt getrieben. Hier wird das Handeln durch Sinneseindrücke und angeborene Fähigkeiten bzw. Bedürfnisse bestimmt.
Ich steig dir nach
An dieser Stelle bedient sich der Texter einer bekannten Redewendung, die ihren Ursprung sehr wahrscheinlich aus der Jagd hat, denn es bedeutet nichts anderes, als ein Tier sehr hartnäckig zu verfolgen oder eben bei Menschen, jemanden aufdringlich zu umwerben.Egal ob Mensch oder Tier, bei beiden gibt es diese Verhaltensweise.
Das Sonnenlicht den Geist verwirrt
Viele Tiere jagen in der Nacht. Auch der Mensch, wenn er bis zum frühen Morgen mit anderen unterwegs ist und in Kneipen, Discos oder auf Festen jemand anderen verfolgt. Der Anbruch des neuen Tages als irritierendes Ende einer Jagd. Am Tage sehen die Dinge ganz anders aus als in der Nacht. Vieles, was man in der Dunkelheit nicht sieht, wird bei Tageslicht erkannt.
Ein blindes Kind das vorwärts kriecht
Bei dieser und der nachfolgenden Zeile geht es ausschließlich um das Animalische. Ein noch blindes Jungtier, z.B. Welpe oder Kitte kriecht an den Mutterleib um gewärmt oder gefüttert zu werden. Auf einen Menschen adaptiert und von den vorherigen Zeilen ausgehend, kann auch ein vor Liebe blinder Mensch gemeint sein, der immer weiter in seinem Traum lebt.
Weil es seine Mutter riecht
Die Motivation des Jungtieres sich zu bewegen, ist die schützende Mutter zu erreichen, die zwar nicht gesehen, aber auf jeden Fall gerochen wird. Auffällig hier ist der erste Paarreim.
Die Spur ist frisch und auf die Brücke
Tropft dein Schweiss dein warmes Blut
Ich seh dich nicht
Ich riech dich nur ich spüre dich
Ein Raubtier das vor Hunger schreit
Witter ich dich meilenweit
Diese Strophe könnte aber ebenfalls eine Metapher auf einen Liebesakt sein, wobei die letzte Zeile keinen Sinn macht. Möchte man noch den Ausdruck „Freiwild“ im Zusammenhang mit der Jagd nach Frauen anbringen, so ist diese Strophe in ihrer zweiten Bedeutung dennoch schlüssig. Anzumerken bleibt noch, dass der Aufbau dieser zweiten Strophe der ersten entspricht. Nämlich vier sich nicht reimende Zeilen gefolgt von einem Paarreim.
Du riechst so gut
Du riechst so gut
Dieser Ausspruch kann sowohl der Gedanke eines jagenden Tieres, in Bezug auf sein Opfer sein, als auch eines Menschen über einen anderen. Schließlich kann man oder man kann sich eben nicht riechen. Wir begegnen manchmal Menschen, die wir supernett finden, aber absolut nicht riechen können. Eine engere Beziehung können und wollen wir uns mit ihnen nicht vorstellen.
Ich geh dir hinterher
Von dem Geruch oder Duft angezogen läuft man seinem „Opfer“ hinterher.
Du riechst so gut
Ich finde dich
Die Suche wird auf jeden Fall erfolgreich sein.
So gut
Ich steig dir nach
Wiederholung der bereits in der ersten Strophe verwendeten Redewendung des Nachsteigens. Aufdringlich und hartnäckig wird das (Frei-)Wild verfolgt.
Du riechst so gut
Gleich hab ich dich
Nur noch wenig trennt den Jäger vom Gejagten.
Ich warte bis es dunkel ist
Die beste Zeit zum Jagen oder einfach nicht entdeckt werden. Beides kann an dieser Stelle gemeint sein.
Dann fass ich an die nasse haut
Auch diese Zeile kann in zweierlei Hinsicht gedeutet werden. Nass ist die Haut, wenn man schwitzt. Genauso gut kann auch hier der Griff zwischen die Beine einer erregten Frau gemeint sein.
Verrate mich nicht
Diese Zeile ist nicht einfach, denn sie macht zwischen den anderen nicht wirklich direkten Sinn. Verraten kann nur jemand werden, der ein Geheimnis hütet oder sich auf jemanden verläßt. Darf der Jäger nicht der Gejagte sein? Darf er vom Ufer der Vernunft nicht über die Brücke, auf die Seite des Triebs? Ein selbst erlegtes Verbot?
Oh siehst du nicht die Brücke brennt
Der Wahnsinn als brennendes Verlangen zwischen dem Rationalen und Emotionalen – zwischen dem Menschen und dem Tier.
Hör auf zu schreien und wehr dich nicht
Auch bei dieser Zeile kann man zwei Bedeutungen aufführen, die passen. Der Schrei als Ausdruck der Gegenwehr, bevor der Jäger sein Opfer vollends erlegt. In diesem Zusammenhang passt auch das sich wehren. Zum anderen kann ebenso das Zieren einer Frau gemeint sein, die sich gegen den aufdringlichen Verehrer wehrt.
Weil sie sonst auseinander bricht
Betrachtet man die Brücke als eine Mischung der Gefühle, als das eigene Handeln zwischen Trieb und Vernunft, zerbricht sie nach dem Akt. Entweder mit einem erfüllten Gefühl für nur einen, beide oder als Enttäuschung für einen oder beide. Hier könnte auch ein Traum, ein Vorstellung gemeint sein.
Du riechst so gut
Ich geh dir hinterher
Du riechst so gut
Ich finde dich
So gut
Ich steig dir nach
Du riechst so gut
Gleich hab ich dich
Du riechst so gut
Du riechst so gut
Ich geh dir hinterher
Du riechst so gut
Ich finde dich
So gut
Ich fass dich an
Der Jäger erreicht seine Beute. Sie ist greifbar geworden. Sie ist real, kein Traum.
Du riechst so gut
Jetzt hab ich dich
Am Ende siegt der Jäger. Haben als Besitz ist wahrscheinlich nicht gemeint, eher im spielerischen Sinn.
Du riechst so gut
Du riechst so gut
Ich geh dir hinterher
In einigen Foren wird sehr gerne erwähnt, dass Rammstein bzw. Lindemann sich bei diesem Text auf Patrick Süßkind und seinen Roman “Das Parfum” beziehen. Die gern genannten Hinweise auf Wikipedia gibt es aber nicht (Beispiel kreidefressen.de ). Zwar würde dies passen, allerdings läßt sich die Metapher der Brücke in diesem Zusammenhang nicht richtig einordnen.
Mit dieser letzten Strophe “Ich warte bis es dunkel ist … weil sie sonst auseinander bricht.” habe ich sowieso ein Problem. Die Worte und der Aufbau fühlen sich richtig und gut an, wollen aber nicht vom Sinn her passen. Doch es muss nicht alles immer einen tieferen Sinn haben. An dieser Stelle siegen Gefühl und Trieb.
Hinweis: Der hier wiedergegebene Songtext ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche Rechte liegen bei der Band Rammstein bzw. den gesetzlichen Vertretern.
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