Wie logisch müssen Phantasiewelten sein?
Das ist total unlogisch, das mit der Phantasie…
Bestimmt kennen die meisten die Ausführungen Mittermaiers zu einem Kinobesuch („Mein Gott, der Film heißt ‚Auf der Flucht‘ und nicht ‚Gekriegt nach fünf Minuten‘.“). Dabei macht sich der bekannte Komiker nicht nur über die Filmvorlieben beider Geschlechter, sondern auch über die realistische Darstellung lustig. Nachdem ich Terry Pratchetts „Voll im Bilde“ gelesen habe, gehen mir einige Gedanken nicht aus dem Kopf.
Nicht selten werden Geschichten aus dem Bereich Fantasy und Sci-Fi für ihre logischen oder eben unlogischen Zusammenhänge kritisiert. Hierbei werden oft Beschreibungen zu Konflikten, Magie, Kämpfen oder der erfundenen Welt akribisch auseinander gekommen, wenn nicht sogar seziert. Warum tun wir das? Und mit welchen Maßstäben? Ein paar Erklärungsansätze.
Weil wir es nicht anders kennen gelernt haben
Tatsache ist, dass wir bei Allem, was wir tun, zuerst auf die eigenen Erfahrungen zurückgreifen. Auch beim Lesen und Filme anschauen. Wir wissen, dass Wasser nass und flüssig ist, man aus Blei kein Gold machen kann und wir nur mit Hilfsgeräten fliegen können, weil uns die Erdanziehungskraft an unserem Planeten festhält.
Wenn jetzt jemand behauptet, sich ein Stück Wasser aus der Quelle geschnitten und aufs Brot geschmiert zu haben, können wir nicht ohne Weiteres ein Bild vor unserem inneren Auge erzeugen, da wir mit den Worten Wasser und Quelle eine sich bewegende Flüssigkeit verbinden. Einfacher fällt es uns beispielsweise mit den Früchten des Nussnougatbaums, die man sehr vorsichtig ausdrücken muss, um nicht von oben bis unten mit Nutella bespritzt zu werden.
Andere Gesellschaften – andere Sitten
Es ist nicht einfach, eine neue Gesellschaft zu erdenken, die von unserer jetzigen oder uns zumindest bekannten vergangenen sehr stark abweicht, für andere Personen aber trotzdem begreifbar bleibt. Nehmen wir einige bekannte Strukturen. Es gibt einen Tyrannen, der sein Volk unterdrückt oder zwei Fraktionen, die sich bekriegen oder unterschiedliche Stämme, die einen gemeinsamen Feind haben. Diese Szenarien machen für uns Sinn, auch die daraus resultierenden Konflikte und Strategien, die die Parteien verfolgen.
Versuchen wir es mit etwas ziemlich Absurdem: Wir haben drei Völker. Zwei davon leben im absoluten Überfluss friedlich nebeneinander, denn sie sind der Meinung, dass je mehr man gibt, umso mehr erhält man zurück. Das dritte Volk lebt im größten Dreck und versucht die Reichen davon abzuhalten, sich zu beschenken. Denn mit jeder Schenkung wird es selbst ärmer. Das dumme daran ist nur, dass ausgerechnet die armen Schlucker Götter der ganzen Sache sind. Je großzügiger und friedlicher die Völker zueinander sind, umso beschissener geht es den Schöpfern dieser Gesellschaft. Wie sähe hier der Konflikt aus?
Es ist wesentlich einfacher, einen verständlichen Konflikt in eine fremde Welt zu projizieren, als einen neuen Konflikt zu erdenken. Einen Krieg, der auf Grund unterschiedlicher Religionen, Landbesitz, Hunger, Gier, Neid oder Liebe geführt wird, können wir nachvollziehen. Warum sollte jemand einen Krieg führen, weil er zu viel von etwas hat und es loswerden möchte? Warum sollte es einen Krieg der Liebe geben, wenn es in der Gesellschaft keine festen Bindungen gibt? Warum sollte man an Besitz festhalten, wenn man alles jederzeit selbst produzieren kann? Wie soll es zu einem Glaubenskonflikt kommen, wenn man selbst eine Gottheit ist?
Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
Ist es nicht ausgesprochen erstaunlich, dass fast alle Fantasywelten unserer eigenen in vielerlei Hinsicht ähneln? Es gibt Berge, Flüsse, Wälder und Wüsten. Selbstverständlich existieren sie ebenfalls unter der Erde oder in den Wolken, aber auch dort gibt es immer eine Form von Städten, Siedlungen mit pompösen Bauten oder erbärmlichen Unterkünften. Es gibt außergewöhnliche Pflanzen, Tiere und Bewohner mit wünschenswerten Eigenschaften und Talenten. Es gibt so was wie Wetter und Jahreszeiten. Sehr wahrscheinlich eine oder mehrere Arten von Glaubensüberzeugungen und Festen.
Viel komplizierter als bei der Gesellschaft wird es mit den Wissenschaften. Wie stellt man Biologie, Physik und Chemie auf den Kopf ohne gegen alle bekannten Naturgesetze zu verstoßen? Und jetzt wird es auch schon heikel, denn das Wissen hat Auswirkung auf die Gesellschaft und Kultur, d.h. auch auf Waffen, Handel und das Konfliktpotential.
Wir wissen, dass es biologisch nicht möglich ist, aus dem Genom eines Menschen und Vogels einen flugfähigen Menschen zu schaffen und auch die Vorstellung ist nicht zwingend appetitlich. Wie also sehen unsere Bewohner aus?
Mittlerweile weiß man, dass alles, was uns umgibt, zum größten Teil aus Kohlenstoff besteht und sich das Universum immer stärker ausdehnt. Mit diesem Wissen wird es unglaublich schwierig, eine logische Ursache und Wirkung von Magie zu kreieren. Letztendlich verschwinden Dinge nicht so einfach. Wenn etwas verschwindet, dann ist es nicht weg, sondern irgendwo anders oder etwas anderes. Wie kann ein Lebewesen einen Vorgang wie Verbrennung beherrschen, ohne selbst in Flammen aufzugehen? Man kann nicht in der Zeit zurück reisen und etwas verändern. Es macht auch keinen Sinn, in eine andere Dimension zu springen, nur um etwas ungeschehen zu machen. Zumindest nicht, wenn man sich auf den heutigen realen Wissensstand bezieht. Unser Gehirn ist nicht in der Lage, sich viele weitere Dimensionen einfach so hinzuzudenken, solange sie nicht plausibel in unseren Tagesablauf passt.
Von Rittern und Drachen – Göttern und Geistern
Sehr gerne schieben wir die Entstehung von Mythen und Legenden auf das fehlende Wissen in früherer Zeit zurück. Auch das dunkle und heute doch so beliebte Mittelalter ist voller Aberglaube und geheimnisvoller Erzählungen.
Fragt man heute Jugendliche auf der Straße, wie das Internet eigentlich auf ihr Smartphone kommt, wird man sehr schnell feststellen, dass nur die wenigsten es erklären können. Wie funktioniert denn die Sache mit den Satelliten? Wir können Elektrizität nutzen, aber nicht sinnvoll speichern. Wieso eigentlich? Die Tier- und Pflanzenwelt birgt Geheimnisse, von denen wir wahrscheinlich noch keine Vorstellung haben. Und manchmal haben wir ein Déjà –vu obwohl wir es gar nicht haben sollten.
Vielleicht sind wir in der heutigen Zeit viel zu oft viel zu kritisch.
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